Mit dem Gastbeitrag unseres Hauptgeschäftsführers Florian Bernschneider als Reaktion auf den vielzitierten Satz „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“ des BDA-Chefs Steffen Kampeters ist der AGV am Puls der Zeit was die aktuelle überregionale Diskussion rund um New Work angeht, setzt sich mit dem Thema auseinander, zeigt klare Meinung und – auch neue Wege, Ideen und Lösungen auf.
Unser Standpunkt ist klar: Wir müssen als Arbeitgeber nicht in eine glorreiche Vergangenheit zurückschauen, wenn wir mehr „Bock auf Arbeit“ machen wollen, sondern begeisternde Zukunftsszenarien und dafür notwendige Reformen formulieren.
Lesen Sie Florian Bernschneiders Kommentar hier oder beim Digital-Magazin t3N.
Auch Unternehmen müssen an der Arbeitsmoral ihrer Angestellten arbeiten, findet Florian Bernschneider, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Region Braunschweig, und hat gleich mehrere Gründe parat.
Wer wie ich eine Timeline irgendwo zwischen New Work und Arbeitgeberverbänden hat, erlebt dieser Tage ein Lehrstück für eine selbsterfüllende Prophezeiung. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, wirbt im Gespräch mit Tableberlin für „Mehr Bock auf Arbeit“.
Der Journalist setzt diese prägnante Forderung wenig überraschend in die Überschrift des Artikels. So weit, so normal. Doch Kampeter hat schon im Gespräch eine Vorahnung. Nämlich, dass man in Deutschland – anders als Barack Obama in den USA – niemals für den Wert und die Notwendigkeit harter Arbeit werben dürfe: „Hier würde jede Politikerin, jeder Politiker müde belächelt, wenn sie oder er sagen würde: Die Bundesrepublik Deutschland kann nur besser und stärker werden, wenn wir hart und länger arbeiten. Die Realität ist: Wir werden länger arbeiten müssen – das braucht unser Land.“
Kritik und Spott aus 3 Richtungen
Inmitten der Debatte um die britische Studie zur Vier-Tage-Woche setzte Kampeter also selbst das Zeichen für mehr Arbeitseifer, das er sich von der Politik wünscht, und erhielt das, was er selbst schon erwartet hat: Jede Menge Kritik und spöttische Bemerkungen in den sozialen Medien, warum sein „Mehr Bock auf Arbeit“ nicht in die Zeit passen würde.
Die Angriffe kommen im Grunde von drei Seiten:
1. Die „Purpose-Fraktion“: Sie will nicht der Arbeit wegen hart arbeiten, sondern einen Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen. Sie liest Kampeters Zeilen als Rückbesinnung auf einen Arbeitsbegriff, der zuerst das Land, unsere Volkswirtschaft und das Gemeinwesen glücklich machen soll und wenig Platz für individuelle Sinnstiftung lässt.
2. Die „Quit Quitter“: Sie meinen, erkannt zu haben, dass das „Purpose-Gequatsche“ ohnehin überdreht ist und Arbeitgeber manipulativ mit einem Sinn-Versprechen nur noch mehr Leistung einfordern wollen. Den tieferen Sinn des Lebens findet man nach ihrer Haltung aber nicht in Arbeit, sondern in echten Leidenschaften. Also setzen sie konsequent auf einen Dienst nach Vorschrift, um möglichst viel Zeit für den Rest des Lebens zu haben. Sie erleben Kampeters Aufruf als letzte verzweifelte Zuckungen eines Systems, das ohnehin keinen Sinn stiftet und es nun noch mal mit der Moral-Peitsche versucht, die Menschen in Überstunden zu treiben.
3. Die „Ok Boomer“: Eigentlich kämpft diese Gruppe in Social Media mit ihren Beiträgen für mehr Diversität. Sie ist zurecht genervt, wenn in Vorständen mehr Männer mit dem Namen Thomas als Frauen vertreten sind. Aber in Diskussionen wie diesen bauen sich die „Ok Boomer“ eine unnötige Glaubwürdigkeitsfalle. Denn gefühlt kann Kampeter eigentlich formulieren, was er will, die Grundhaltung bleibt bei einigen Beobachterinnen und Beobachtern: „Wir haben keinen Bock mehr, uns von alten weißen Männern sagen zu lassen, worauf wir Bock haben müssen.“
Arbeitsmoral früher besser?
Steffen Kampeter fühlt sich nun falsch verstanden und postet fleißig unter all diese Kommentare: Lest doch mal das ganze Interview und nicht nur die Überschrift. Ich habe doch viel mehr gesagt als nur das. Und es stimmt: Im Interview steckt mehr als in dem Satz „Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit“. Aber Kampeter hat sich auch selbst die Startrampe für Kritik gebaut, weil er seine These vor allem mit einem Bild untermauert, das heißt: Früher war alles besser – auch und gerade unsere Arbeitsmoral. Damit triggert er alle drei Gruppen förmlich zum Angriff.
Ein paar Beispiele:
„Die Realitäten wandeln sich schon länger. Deutschland war in der Vergangenheit stets produktiver und innovativer als viele Wettbewerber. So haben wir uns eine hohe Wertschöpfung gesichert.“
„Erstens brauchen wir ein Schulsystem, das nicht alle gleich macht, sondern tatsächlich wieder den Mut hat, unterschiedliche Talente und Fähigkeiten auch unterschiedlich zu bewerten und zu fördern.“
„Lesen, schreiben, rechnen, und zwar mit wenig Fehlern – das muss wieder drin sein. Das muss die Schule wieder liefern.“
Neben der Überschrift sind es wohl vor allem Sätze wie diese, die Kampeter in der Wahrnehmung der genannten Gruppen zum Verhängnis werden. Denn so viel Erfolg uns die Schul- und Arbeitswelt der letzten Jahrzehnte gesichert hat, so wenig kann sie die richtige Antwort für die Zukunft sein.
Kampeters Rückblick auf die guten alten Tage, in denen das Abitur seiner Meinung noch was wert und die Deutschen noch fleißiger waren, wird deswegen von keiner der drei Gruppen als positive Zukunftsvision wahrgenommen. Niemand von ihnen –und das ist mehr als verständlich – will zurück in eine Arbeits- und Ausbildungswelt, die 30 Jahre zurückliegt.
Forderungen, die Lust auf Arbeit machen
Dabei könnte man aus Arbeitgebersicht manch andere Forderung entwickeln, die gar keinen Rückgriff auf alte Zeiten braucht und trotzdem mehr Bock auf Arbeit machen würde. Wie wäre es denn mit diesen Beispielen:
Schon Frithjof Bergmann macht klar, dass Arbeit nur dann als sinnvoll und erfüllend empfunden wird, wenn man darin selbstwirksam ist. Wir dokumentieren uns in unserer Arbeitswelt aber zu Tode und kommen nicht zu dem, was uns eigentlich wichtig ist, wo wir uns als selbstwirksam empfinden können. Niemand ist in die Pflege gegangen, um Zettel auszufüllen und Lehrer haben keine Lust auf Haftungsdiskussionen, wie sie ein Pflaster bei einem verletzten Kind aufkleben dürfen. Und deswegen muss man Politik knallhart sagen: Nicht schlechte Unternehmenskulturen sondern Bürokratie ist mittlerweile der schlimmste Purpose-Feind und Treiber für Erschöpfung und Frust. So eine Arbeitswelt macht krank und sie verhindert, dass innovative Unternehmen heute noch die Chance haben, zu Global Playern in Deutschland zu wachsen.
Während Politik sich weiter an der Frage von Gymnasium versus Gesamtschule abarbeitet und den Erfolg digitaler Bildung in ausgegebenen Endgeräten misst, fragen sich Schülerinnen und Schüler angesichts von ChatGPT völlig zurecht: Wozu lerne ich das eigentlich noch? Unser Schulwesen und ein verschultes Hochschulwesen verpassen seit Jahren eine Antwort darauf, wie man Menschen für eine Arbeits- und Lebenswelt rüstet, in der die Maschine vieles besser kann als man selbst. Wir müssen aber endlich Fächersilos durchbrechen, stumpfes Auswendiglernen mit Kreativität verknüpfen und die menschliche Stärke, Motorik und Intelligenz zu verbinden, mit mehr als zwei Stunden Sport fördern. Gelingt uns das nicht zügig, verliert auch die nächste Generation Lust am lebenslangen Lernen.
„Kind krank“, „63 Tage Schulferien versus 30 Tage Jahresurlaub“, „Wir haben Betreuungsmangel. Wenn Sie Ihr Kind heute früher abholen könnten, wäre das toll.“ – das sind nur ein paar Sätze, mit denen man prima junge Eltern erschrecken kann. Wir sind in Deutschland nämlich trotz aller Betreuungsgarantien meilenweit davon entfernt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leben zu können. Bei wem die Babyboomer-Eltern noch arbeiten, auf verdienter Safari in Afrika sind oder einfach in einer anderen Stadt leben, gehen deswegen zwangsläufig nicht mehr als 1,5 Jobs für zwei Erwachsene. Dabei ist wenig so gut planbar wie Demografie! Kein Betrieb hat so gute Möglichkeiten, seinen Nachwuchs auszubilden, wie der Staat sich Lehrerinnen und Betreuer ausbilden kann. Vielleicht liegt in Punkt 1 und 2 der Schlüssel, um mehr Menschen für diese Berufe zu begeistern? In jedem Fall können wir uns bürokratische Hürden für die Einrichtung von Betriebskitas und Abwehrkonditionen für Quereinsteigerinnen keinen Tag länger leisten.
Meinen abschließenden Gedanken werden nicht alle teilen, aber vielleicht kann man sich anschließen, allein um Druck auf die Politik zu machen: Wenn der Staat es nicht hinbekommt, muss er zumindest privaten Initiativen endlich den Raum geben, seine Missstände im Bildungswesen zu beseitigen. Initiativen wie Wolfsburg42 sind gute Beispiele, das private Bildungseinrichtungen mehr Mut und Innovationskraft zu den nötigen Umbrüchen mitbringen. Wenn man private Einrichtungen aber von jeder Förderung abschneidet, ihnen Akkreditierungen und Zulassungen schwer macht, wird man sie als Inkubator einer neuen Bildungslandschaft kaum nutzbar machen können. Kulturell sind wir alle gefragt, diese Diskussionen mit offenem Geist zu führen, statt Bildungskonzepte voreilig in Schubladen zu stecken. „Da tanzen sie doch ihren Namen“ ist eine ziemlich platte Kritik und selbst wenn es so ist: Das kann die KI schon mal nicht.
Unternehmen sollten begeisternde Zukunftsszenarien und notwendige Reformen ausarbeiten
Die Aufzählung solcher Forderungen ließe sich für das nächste Interview von Steffen Kampeter fortsetzen. Und niemand ist ihm böse, wenn er auch ein paar Klassiker unterbringt. Denn niedrigere Steuern und die Chance, Eigentum aufzubauen, gehören auch dazu, wenn man Bock auf Arbeit machen will.
Ob nun das stumpfe Bürgergeld-Bashing zum Klassiker werden muss, ist hingegen fraglich. Nachhaltige Qualifizierung über Gelegenheitsjobs zu stellen und mit besseren Zuverdienstchancen „Bock auf Arbeit“ zu machen, ist nicht der Untergang der Leistungsgesellschaft. Kritik am Sozialstaat ist angebracht, aber sie sollte keinen pauschalen und vorhersehbaren Mustern folgen. Auch das macht Kampeters Kritikern ein unnötig leichtes Spiel.
Mein Punkt ist also: Wir müssen als Arbeitgeber nicht in eine glorreiche Vergangenheit zurückschauen, wenn wir mehr „Bock auf Arbeit“ machen wollen, sondern begeisternde Zukunftsszenarien und dafür notwendige Reformen formulieren.