Vorsicht bei Schenkungen! Es gilt, Fehler zu vermeiden

Neues aus den Verbänden

02.11.2021

Nach der Bundestagswahl gibt es nach wie vor große Unsicherheit über die politische Zukunft und auch über die weitere Finanz- und Steuerpolitik. Steuererhöhungen sind leider immer noch wahrscheinlich. Das beunruhigt viele Unternehmer[1]. So sind unter anderem folgende Änderungen vorstellbar:

 

  • Abschaffung der Abgeltungssteuer
  • Abschaffung der steuerfreien Veräußerung von Immobilien nach zehn Jahren
  • eine Erhöhung der Erbschaftssteuer

 

Diese Verunsicherung sorgt dafür, dass die nächsten Monate Schenkungsmonate werden. Vermögende Unternehmer und vermögende Familien haben bereits begonnen, sich auf mögliche Steuererhöhungen einzustellen. Dabei spielt auch der Gedanke der rechtzeitigen Nutzung von Schenkungssteuerfreibeträgen sowie von Privilegien für Betriebsvermögen eine Rolle. Aus diesem Grunde haben viele Unternehmer bereits damit begonnen, jetzt Schenkungen im größeren Umfang an Kinder und Enkel vorzuziehen. Aber auch Schenken will gelernt sein. Leider werden bei Schenkungen häufig schwerwiegende Fehler gemacht.

 

Deshalb sollte man bei Schenkungen einige wichtige Regeln beherzigen. Die vielleicht wichtigste Regel ist, dass man niemals allein aus steuerlichen Gründen größeres Vermögen oder gar ein Unternehmen bzw. Unternehmensanteile verschenken sollte. Denn bei nichts sind in der Vergangenheit so viele Fehler gemacht worden und wurde so viel Schaden angerichtet, wie bei dem Versuch, Steuern zu sparen. Falls man jedoch ohnehin vorhatte, irgendwann in den nächsten Jahren seine Kinder zu beschenken oder das Unternehmen an diese zu übertragen, sollte man jetzt prüfen, ob es sinnvoll ist, auch das vorzuziehen. Dabei sollte man sich unbedingt fachmännischen Rat einholen. In diesem Zusammenhang ist jedoch dringend davon abzuraten, sich auf den Ratschlag nur eines Beraters zu verlassen. Stattdessen sollte man sich als Unternehmer in einem solchen Fall von einem Beraterteam unterstützen lassen, das aus einem darauf spezialisierten Rechtsanwalt, einem Steuerberater und einem Estate Planner besteht. Daneben sollte man in vielen Fällen auch einen Unternehmensberater einbeziehen. Stellt sich dann heraus, dass das Vorziehen der Schenkungen sinnvoll ist, sollte eine zeitnahe Übertragung in Erwägung gezogen werden.

 

Ganz generell sollten bei jeder Schenkung unbedingt bestimmte Mindeststandards eingehalten werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass man einen durchdachten, schriftlichen Schenkungsvertrag mit dem Beschenkten abschließt. In diesem Schenkungsvertrag sollte u.a. eine Anrechnung des Geschenks auf den Pflichtteil vereinbart werden. Ein Hinweis lediglich im Testament, dass der Beschenkte bereits vorab etwas erhalten hat, das auf seinen Pflichtteil anzurechnen wäre, reicht leider nicht.

 

Besonders wichtig ist auch die Vereinbarung von Rückübertragungsrechten im Schenkungsvertrag. Ein Beispiel für die Bedeutung von solchen Rückübertragungsrechten ist folgender Fall: Ein Vater hat seinem Sohn vor einigen Jahren ein wertvolles Mehrfamilienhaus in einer guten Hamburger Lage geschenkt. Dabei ist damals auch Schenkungssteuer angefallen. Stirbt nun überraschend der Sohn vor seinem Vater und dieser erbt das Mehrfamilienhaus zurück, so muss der Vater auch auf das zuvor geschenkte Mehrfamilienhaus noch Erbschaftssteuer zahlen und das bei einem deutlich niedrigeren Freibetrag und einer zusätzlich ungünstigeren Steuerklasse! Dieser Super-GAU wäre einfach zu vermeiden gewesen, wenn der Vater mit seinem Sohn einen Schenkungsvertrag gemacht hätte, in dem ein Rückforderungsrecht oder eine Rückfallklausel für den Fall enthalten gewesen wäre, dass der Beschenkte vor dem Schenker ohne eigene Abkömmlinge verstirbt. In diesem Falle hätte der Vater idealerweise nicht nur keine Erbschaftssteuer gezahlt, sondern er hätte zusätzlich sogar vom Finanzamt die bereits durch den Sohn gezahlte Schenkungssteuer zurückerstattet bekommen. Die Begründung ist, dass in diesem Fall das gesamte Rechtsgeschäft von Anfang an rückabgewickelt werden würde und damit als nicht zustande gekommen gilt. Entsprechend entfällt rückwirkend folgerichtig die Rechtsgrundlage für die Schenkungssteuer.

 

Fast jeder Mandant, der diese Möglichkeit kennt, möchte gern auf eine solche Regelung zurückgreifen können. Da ist es umso erstaunlicher, dass Rückübertragungsrechte für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten auch in notariellen Schenkungsverträgen sehr häufig nicht enthalten sind.

 

Neben dem vorgenannten Rückforderungsrecht für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten gibt es noch viele weitere Gründe für mögliche Rückforderungen, die man in einen Schenkungsvertrag integrieren kann. Als Beispiele seien folgende Punkte genannt:

 

  • der Beschenkte heiratet ohne einen Ehevertrag mit zuvor festgelegten Mindeststandards
  • der Beschenkte wird insolvent
  • der Beschenkte wird Hartz-IV-Empfänger
  • der Beschenkte fällt unter Betreuung
  • der Schenker das Recht hätte, dem Beschenkten den Pflichtteil zu entziehen
  • beim Beschenkten liegen die Voraussetzungen für eine Scheidung vor
  • der Beschenkte belastet oder veräußert das Geschenk ohne Zustimmung des Schenkers
  • die steuerliche Situation stellt sich nachträglich anders dar als gedacht

 

Falls gewünscht, könnte man sogar ein freies Rückforderungsrecht ohne jegliche Bedingungen vereinbaren. Dann könnte der Schenker jederzeit ohne Angabe von Gründen sein Geschenk zurückfordern. Davon ist jedoch in den meisten Fällen abzuraten.

 

Daneben gibt es noch weitere, denkbare Bedingungen für Rückübertragungsrechte. Welche Vereinbarungen im Schenkungsvertrag berücksichtigt werden, sollte sehr individuell abgestimmt werden.

 

Bei Schenkungen sind ergänzend aber weitere Dinge besonders wichtig. Gerade bei Schenkungen an Kinder und Enkel möchte der Schenker vielfach gern die Kontrolle behalten und/oder die Erträge aus dem geschenkten Vermögen weiterhin vereinnahmen.

 

Falls der Schenker weiter die Erträge aus dem geschenkten Vermögen für sich nutzen möchte, bietet sich zum Beispiel eine Schenkung gegen Nießbrauch an.

 

Bei wirtschaftlich unerfahrenen Beschenkten hat der Schenker ferner häufig die Sorge, dass das geschenkte Vermögen verbraucht oder gar verschleudert wird. Um das zu verhindern, könnte der heutige Vermögensinhaber zum Beispiel das Vermögen in eine Versicherung oder einen Versicherungsmantel einzahlen und danach 99 % der Versicherungsnehmereigenschaft verschenken. Da für jegliche Änderung der Versicherung inklusive Kündigung zwingend eine Einstimmigkeit aller Versicherungsnehmer nötig ist, kann der Beschenkte ohne den Schenker, der sich ein Prozent zurückbehalten hat, nicht über das Vermögen verfügen. Trotzdem sind in dieser Konstellation rechtlich und steuerlich 99% des Vermögens übergegangen.

 

Im Falle großer Vermögen oder umfangreicher Immobilienbestände bietet sich die Einbringung des zu übertragenden Vermögens in eine Familiengesellschaft an. Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Schenker die Kontrolle vorbehalten möchte. In diesem Fall lässt sich durch die richtige Auswahl der Rechtsform und Gestaltung des Gesellschaftsvertrages sicherstellen, dass der Schenker auch zukünftig immer die Mehrheit der Stimmrechte und damit die Kontrolle behält. Auf diese Weise könnte der Schenker im Extremfall sogar das gesamte Vermögen verschenken und trotzdem weiterhin die Kontrolle ausüben und allein über das Vermögen verfügen. Ferner lassen sich im Gesellschaftsvertrag noch weitere Regelungen, wie zum Beispiel eine Einschränkung der Vererbbarkeit und eine Ehevertragsklausel vorsehen. Das ist alles auf jeden jeweiligen Einzelfall abzustimmen und muss gründlich durchdacht werden.

 

Daneben gibt es noch weitere Dinge, die im Einzelfall berücksichtigt werden müssen. Festzuhalten ist: Vor nennenswerten Schenkungen sollte man sich mit guten Beratern abstimmen.

 

Autorenbeschreibung:

 

Jörg Plesse ist Unternehmerberater, Estate und Financial Planner im Private Banking der Braunschweigischen Landessparkasse bzw. NORD/LB. Seine Schwerpunkte liegen in der Nachfolgeberatung für Unternehmer und vermögende Familien sowie im Stiftungsmanagement. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Banken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmernachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachautor.

 

[1] Der Autor hat aus Gründen der Verständlichkeit die maskuline Form gewählt. Selbstverständlich sind auch Unternehmerinnen angesprochen.