Die Sommermonate und die Schulferien stehen vor der Tür und damit auch verstärkt Urlaubszeiten von Arbeitnehmern. Vermutlich wird eine Vielzahl von Arbeitnehmern den Urlaub nutzen um zu verreisen. Eine solche Urlaubsreise kann – sofern das Urlaubsziel in einem „Risikogebiet“ liegt – im Hinblick auf die staatlichen Regelungen zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus zu Einschränkungen der Arbeitnehmer nach Urlaubsrückkehr führen, die auch Auswirkungen auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis haben. Dabei ist insbesondere an Quarantänemaßnahmen zu denken, die den zurückgekehrten Arbeitnehmer daran hindern können, nach Urlaubsende seine Arbeit wieder aufzunehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Reaktionsmöglichkeiten dem Arbeitgeber eröffnet sind.
§ 5 der „Niedersächsische(n) Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus“ (Nds. Corona-Verordnung) regelt aktuell (Stand: 22.06.2020) für Ein- und Rückreisen aus dem Ausland eine Reihe von Einschränkungen. Eine vollständige Darstellung der sich hieraus ergebenden Pflichten für Ein- und Rückreisende ist an dieser Stelle nicht möglich, auch wegen einer Vielzahl von Ausnahmeregelungen, die eine übersichtliche Darstellung deutlich erschweren. Es ist deshalb in jedem Fall angeraten, sich über die entsprechenden Regelungen der Nds. Corona-Verordnung selbst zu informieren. Die Nds. Corona-Verordnung kann über die Homepage des Landes Niedersachsen eingesehen werden. Hier.
Für den „normalen“ Arbeitnehmer gilt nach einer längeren Urlaubsreise in ein Risikogebiet im Wesentlichen jedoch Folgendes: Personen, die nach einem Auslandsaufenthalt von zumindest 48 Stunden – oder kürzerer Zeit bei Vorliegen von Symptomen, die auf eine Erkrankung mit dem Corona-Virus hinweisen – aus dem Ausland nach Niedersachsen einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 14 Tagen vor ihrer Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung, an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder in eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. Das gilt auch für Personen, die zunächst in ein anderes Bundesland der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Den entsprechend verpflichteten Personen ist es in diesem Zeitraum nicht gestattet, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem eigenen Hausstand angehören. Zudem müssen sie unverzüglich die für sie zuständige Behörde kontaktieren und auf das Vorliegen der vorstehenden Verpflichtungen hinweisen, darüber hinaus beim Auftreten von Krankheitssymptomen, die auf eine Erkrankung mit dem Corona-Virus hinweisen, die zuständige Behörde auch hierüber unverzüglich informieren. Risikogebiet im Sinne dieser Regelungen ist ein Staat oder eine Region außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für den oder die zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Corona-Virus besteht. Die Einstufung als Risikogebiet wird durch das Robert Koch-Institut veröffentlicht (dort über die Homepage abrufbar; zuletzt).
Konsequenzen drohen
Eine verpflichtende 14-tägige Selbstabsonderung (Quarantäne), z. B. nach einem längeren Urlaubsaufenthalt in einem Corona-Risikogebiet, führt damit regelmäßig dazu, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in dieser Zeit seine Arbeitskraft nicht zur Verfügung stellen kann. Sollte diese Zeit der Quarantäne nicht noch durch die Zeit des vom Arbeitnehmer beantragten und vom Arbeitgeber gewährten Urlaubs abgedeckt sein, führt dieses zu arbeitsrechtlichen Problemen, weil der Arbeitnehmer wissentlich – oder zumindest vorwerfbar unwissentlich – die Umstände herbeigeführt hat, die die Quarantänepflicht auslösen. Da der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber arbeitsrechtlich verpflichtet ist, die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung nicht zu vereiteln, würde der Arbeitnehmer bei Reisen ins Ausland, die bei Rückkehr absehbar eine Quarantänepflicht auslösen und zur zeitweisen Unmöglichkeit der Erbringung einer geschuldeten Arbeitsleistung führen, gegen Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis verstoßen; so die diesseitige Rechtsauffassung. Ein solches Verhalten kann nach diesseitiger Einschätzung deshalb gegenüber dem Arbeitnehmer (zumindest) abgemahnt werden.
Man mag sich sogar Gedanken darüber machen, ob ein solches Verhalten – nämlich die wissentliche Herbeiführung einer 14-tägigen Quarantänepflicht zu Zeiten, zu denen eine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht bestehen würde, sofern dieser während der Quarantänezeit nicht nachgekommen werden kann – nicht derart stark einer Arbeitsverweigerung ähnelt, dass hieraus ein Kündigungsgrund entstehen könnte, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auf diese Problematik deutlich hingewiesen und ggf. sogar eine Kündigung bei entsprechendem Fehlverhalten angedroht hat. Es ist allerdings zuzugestehen, dass eine entsprechende Kündigung aktuell wohl als nicht rechtssicher betrachtet werden muss, da Beachtung verdienen dürfte, dass die Arbeitsverhinderung (Rückkehrquarantäne) bloß ein Reflex aus einem der Privatsphäre zuzuordnendem Verhalten (Urlaub in einem Risikogebiet) ist; anders als die „klassische“ Arbeitsverweigerung.
Zudem erscheint aktuell rechtlich nicht abschließend geklärt, ob im Fall einer solch wissentlichen und vermeidbaren Herbeiführung einer Rückkehrquarantäne dem betroffenen Arbeitnehmer überhaupt ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz gegen die öffentliche Hand zusteht, für den – wenn der Entschädigungsanspruch bestünde – der Arbeitgeber lediglich Auszahler wäre (§ 56 Abs. 5 Infektionsschutzgesetz). Denn § 56 Abs. 1 Satz 3 Infektionsschutzgesetz verweigert der betroffenen Person in bestimmten Konstellationen einen Entschädigungsanspruch dann, wenn diese „eine Absonderung hätte vermeiden können“. Ob dieser Entschädigungsausschluss – unmittelbar, mittelbar oder über einen allgemeinen Rechtsgedanken – in den Fällen greift, in denen sich der Arbeitnehmer durch eine längere Urlaubsreise in ein Risikogebiet quasi „sehenden Auges“ in die Rückkehrquarantänepflicht begibt, scheint noch ungeklärt, dürfte jedoch naheliegend sein. Um zu vermeiden, dass dem Arbeitgeber eine von ihm an den Arbeitnehmer ausgezahlte Quarantäneentschädigung von der zuständigen Behörde mit der Begründung letztlich nicht erstattet wird, dem Arbeitnehmer stünde ein solcher Anspruch nicht zu, weil dieser die Absonderung (Quarantäne) hätte vermeiden können, dürfte angeraten sein, dass der Arbeitgeber vor Auszahlung der Quarantäneentschädigung an den Arbeitnehmer schnellstmöglich den Kontakt mit der zuständigen Behörde aufnimmt, den Fall schildert und um Zusage bittet, dass eine vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ausgezahlte Quarantäneentschädigung von der Behörde erstattet wird. Sollte sich die Behörde nicht bereit zeigen, eine rechtliche Festlegung ohne formalen Entschädigungsantrag zu treffen, mag auch der Weg über einen Vorschussantrag nach § 56 Abs. 12 Infektionsschutzgesetz ein probates Mittel sein, um eine Behördenentscheidung in solchen Fällen herbeizuführen. Dabei sollte seitens des Arbeitgebers immer auch auf die Frist zur Stellung des Erstattungsantrages nach § 56 Abs. 11 Infektionsschutzgesetz geachtet werden, die allerdings inzwischen auf 12 Monaten nach dem Ende der Absonderung verlängert wurde.
Schriftliche Regelungen möglich
Vor diesen Hintergründen könnte es angezeigt sein, dass der Arbeitgeber seine Mitarbeiter allgemein schriftlich über die arbeitsrechtlichen Problematiken bei Urlaubsaufenthalten in Corona-Risikogebieten informiert, z. B. entsprechend unserem Musterschreiben. Sofern sich der Arbeitgeber die Möglichkeit einer (rechtsunsicheren) Kündigung bei entsprechendem Verstoß offen halten will, sollte er in dem Schreiben anstelle der Abmahnung eine Kündigung in Aussicht stellen und entsprechend umformulieren.
„arbeitsfreie“ Zeit einvernehmlich vereinbart
Sofern betrieblich in der Personalplanung abbildbar, könnte zudem versucht werden die erwartbaren arbeitsrechtlichen Probleme nach Urlaubsrückkehr aus einem Corona-Risikogebiet im Vorfeld mit dem betroffenen Mitarbeiter zu klären und einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. So kann eine Verletzung der Arbeitspflicht dadurch vermieden werden, dass für die Zeiten der erwartbaren Rückkehrquarantäne „arbeitsfreie“ Zeit einvernehmlich vereinbart wird, sei es durch (weiteren) bezahlten Erholungsurlaub, bezahlte Freistellung aus Überstunden oder unbezahlte Freistellung. Ein entsprechender Hinweis mit der Bitte um Kontaktaufnahme mit der Personalabteilung vor Reiseantritt könnte das Schreiben dann ergänzen. Solche einvernehmlichen Vereinbarungen dürften jedoch (weitere) Auswirkungen auf einen etwaigen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz haben. Denn der dortige Entschädigungsanspruch setzt einen „Verdienstausfall“ voraus. In den Fällen von bezahltem Urlaub oder bezahlter Freistellung während der Quarantänezeit könnte es an einem solchen Verdienstausfall mangeln, da Verdienst erzielt wird; im Fall unbezahlter Freistellung könnte es an einem Verdienstausfall mangeln, weil kein Verdienst geschuldet ist.
Doch was passiert, wenn der sich in Rückkehrquarantäne begebende Arbeitnehmer während der Quarantäne allgemein (oder an Corona) erkrankt? Schuldet der Arbeitgeber in diesem Fall Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz? Nach diesseitiger Auffassung nicht. Denn der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz setzt u.a. voraus, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die einzige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein muss, sog. Monokausalität (z.B. BAG, Urteil v. 22.8.2001, 5 AZR 699/99). Der erkrankte Arbeitnehmer soll nicht mehr erhalten, als er im Fall seiner Gesundheit bekommen würde. Wenn der Arbeitnehmer jedoch gesund gewesen wäre, hätte er vom Arbeitgeber während der Rückkehrquarantäne gerade kein Arbeitsentgelt erhalten (allenfalls Zahlungen als „Zahlstelle“ auf einen etwaigen Entschädigungsanspruch gegen die öffentliche Hand; dazu s.o.).
Die vorstehenden arbeitsrechtlichen Ausführungen gelten teilweise ggf. nur sehr eingeschränkt, sofern es dem Arbeitnehmer erlaubt oder ohne weiteres möglich ist, seine Arbeitsleistung im Home-Office zu erbringen, so dass und sofern eine Quarantäne ihn an der Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht hindert.