Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie: Eine Einigung ist bislang nicht in Sicht

Neues aus den Verbänden

20.11.2017

Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie: Eine Einigung ist bislang nicht in Sicht

 

In der letzten Woche fand die erste Verhandlung der Tarifrunde 2017/2018 in Hannover statt. Die Forderungen der IG Metall lauten:

 

– Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütung um 6 Prozent.

– Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden für bis zu 24 Monaten für alle Beschäftigten bei voller Rückkehrgarantie.

– Einen Entgeltzuschuss für Beschäftigte in belastenden Arbeitszeitmodellen (z. B. Schichtbetrieb) von etwa 750 EUR pro Jahr, wenn die Arbeitszeit um fünf oder mehr Tage pro Jahr verkürzt wird.

– Einen Entgeltzuschuss von etwa 200 Euro pro Monat für alle Beschäftigten, die Kinder unter 14 Jahren erziehen oder Angehörige pflegen, soweit sie ihre Arbeitszeit um 3,5 Stunden oder mehr pro Woche reduzieren.

– Anspruch für Auszubildende und Duale Studenten auf Freistellung am Tag vor Prüfungen.

– Bekenntnis zur Angleichung der Tarifverträge zwischen Ost und West.

 

Die Arbeitgeberseite hat in der ersten Runde deutlich gemacht, dass eine Entgelterhöhung um 6 Prozentpunkte bei weitem nicht den wirtschaftlichen Realitäten in den Betrieben entspricht. Die IG Metall begründet ihre Entgeltforderungen mit der Zielinflation der EZB von 2 Prozent sowie einem durchschnittlichen Weltwirtschaftswachstum von 3 Prozent.

 

Der Geschäftsführer des Regionalverbandes Braunschweig-Salzgitter-Wolfsburg von NiedersachsenMetall, Florian Bernschneider, machte deutlich: „Einem Praxischeck halten diese Kennzahlen nicht Stand. Sowohl tatsächliche Inflationsrate als auch das Wirtschaftswachstum im Euroraum sind weit entfernt von diesen Werten.“ Stattdessen müssten steigende Rohstoff- und Energiepreise, politische Unsicherheiten im Export sowie vor allem der dringende Investitionsbedarf nicht zuletzt in Digitalisierung, Industrie 4.0 berücksichtigt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

 

„Mit 20 Prozent Tariferhöhungen seit 2012 hat man im internationalen Vergleich schon jetzt erheblich an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Produktivitätsfortschritte der letzten Jahre entsprechen bei weitem nicht diesen Lohnzuwächsen.“, ergänzt Bernschneider und macht darauf aufmerksam, dass dieser Argumentation gerade in unserer Region besonderes Gewicht zukommt: „Die großen Transformationsprozesse durch Digitalisierung und Industrie 4.0 fordern die „good old economy“ unserer Region extrem heraus. Die Umbrüche in den klassischen industriellen Großbetrieben unserer Region sind längst spürbar. Wenn wir den Betrieben mit überzogenen Tarifabschlüssen nun die Luft nehmen, sich diesen Transformationsprozessen zu stellen, gefährden wir die Chance der rechtzeitigen Anpassung. Das gilt übrigens nicht nur für die Großbetriebe, sondern auch besonders für die mittelständischen Metall- und Maschinenbauunternehmen unserer Region. Zukunftsinvestitionen in Digitalisierung sind für diese KMUs zwar genauso wichtig wie für die Industrie, aber viel schwieriger zu finanzieren. Wenn jedes dritte Unternehmen der Branche aber weniger als 2 Prozent Rendite hat, wird deutlich, wie dünn die Luft für Zukunftsinvestitionen ist.“ Mit der Kampagne „ZUKUNFT STATT ZU T€UER“ macht der Metallverband auf seine Positionen auch überregional und medial aufmerksam.

 

Mit Blick auf den demografischen Wandel und massiven Fachkräftemangel hat die Arbeitgeberseite einseitige Debatten über Arbeitszeitverkürzungen ebenfalls klar abgelehnt. Wenn überhaupt müsse über Flexibilisierungen in beide Richtungen gesprochen werden. Außerdem dürfe die betriebliche Praxis nicht aus dem Blick verloren werden, mit der ein flächendeckender Anspruch auf Arbeitszeitverkürzungen nicht vereinbar ist. „Die Arbeitszeitbefragung der IG Metall selbst hat gezeigt, dass es gar keinen echten Bedarf für solche Diskussionen gibt, weil die Betriebe – wo immer es möglich ist – schon heute Lösungswege mit den Mitarbeitern entwickeln.“, macht Florian Bernschneider deutlich.

 

Eine sehr deutliche Absage hat die Arbeitgeberseite auch der Vorstellung nach Entgeltausgleichen bei Arbeitszeitverkürzungen erteilt. Schon heute leisten Betriebe mit Angeboten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen großen gesellschaftlichen Beitrag, aber es gäbe auch Grenzen dessen, was Betriebe hier leisten können. Bernschneider dazu: „Es käme einem Paradigmenwechsel gleich, dass Arbeitgeber für die individuellen familiären Hintergründe im Entgelt herangezogen werden. Außerdem entstünde ein Zweiklassen-Teilzeitsystem, bei dem für manche Teilzeitbeschäftigte ein Lohnausgleich stattfindet, für andere nicht. Ein solcher Lohnausgleich ist deswegen nicht nur wirtschaftlich abzulehnen, sondern widerspricht auch dem Grundsatz der IG Metall: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“

 

Da die IG Metall angekündigt hat, den Manteltarifvertrag zu kündigen, um die geforderten Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen, hat die Arbeitgeberseite ihrerseits konkrete Forderungen im Falle einer Verhandlung des Manteltarifvertrages vorgetragen, mit denen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit nicht einseitig stattfinden würde. „Wer die Debatte über eine Flexibilisierung von Arbeitszeit ernsthaft betreiben will, muss nicht nur Arbeitszeitverkürzungen sondern auch Mehrarbeit zulassen. Dazu haben wir Vorschläge gemacht, wie mit Arbeitnehmern individuell eine Mehrarbeit über die 35-Stunden-Woche hinaus regelbar wäre oder wie bei einer zeitweisen, besonders hohen Betriebsauslastung auch eine kollektive Arbeitszeiterhöhung realisierbar wäre“, erklärt Florian Bernschneider. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 06. Dezember in Hannover vorgesehen. Es ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen weiter sehr kontrovers sein werden und ins kommende Jahr reichen. Eine Einigung zeichnet sich bislang nicht ab. Die Friedenspflicht endet am 31. Dezember 2017.