Shift happens - Gunter Dueck zu Gast beim AGV

Neues aus den Verbänden

01.03.2018

Globalisierung, Digitalisierung, Innovationskraft, veränderte Arbeitswelten… klingt wie der typische Vortrags-Cocktail, den wir alle viel zu oft gehört haben. Doch Gunter Dueck schaffte es beim Arbeitgeberdialog eine ganz neue Sichtweise einzunehmen. Über 300 Gäste waren in die moderne Veranstaltungslocation von Roth of Switzerland in Isenbüttel gekommen, um dem Querdenker und seinen Ausführungen zu folgen.

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Zuvor hatte AGV-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Niemsch die Gäste begrüßt. Er ging in seiner Rede auf den aktuellen Wandel ein und stellte klar: „Als Unternehmen können wir uns nicht zurücklehnen und abwarten, sondern sind gefragt, diesen Wandel selbst mitzugestalten. Ich bin ganz ehrlich: „Ich würde mir häufiger auch von der Politik mehr Mut wünschen, die großen Zukunftsfragen zu gestalten, aber der vorliegende Koalitionsvertrag der Groko gibt dafür wenig Anlass zur Hoffnung und fordert uns als Unternehmen umso mehr auch selbst Antworten auf die Chancen und Herausforderungen zu geben, die vor uns stehen.“ Der besondere Dank ging an die Sparkasse-Gifhorn Wolfsburg, ohne die der Abend nicht habe stattfinden können. Der Vorsitzende des Vorstandes, Gerhard Döpkens, hielt das Grußwort für den Unterstützer des Dialogs. 

Viel zu tun – packen wir es an

Er  ging im Besonderen auf die gestiegenen Anforderungen durch die Digitalisierung für die Sparkassen ein. Machte aber auch deutlich, die neuen Möglichkeiten würden eine Vielzahl von Chancen eröffnen, die es zu nutzen gelte. Sich immer wieder ein Stück weiter zu entwickeln, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu vergessen, müsse Anspruch und Antrieb sein. Der Arbeitgeberdialog sei eine willkommen Plattform, um ganz ungezwungen und quer durch alle Branchen Chancen, Herausforderungen und Entwicklungen zu diskutieren.

Wild Dueck – der Querdenker 

Dueck ging in seinem Vortrag nicht nur auf technologische, sondern vornehmlich kulturelle und ethische Veränderungen ein. Bei IBM hatte der Redner den Spitznamen „Wild Duck“, die amerikanische Bezeichnung für einen Querdenker und diese Spezialität zeigte er auch in Isenbüttel.

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Anpacken statt wegsehen

Er spannte in seinem Vortrag den großen Bogen – unsere Gesellschaft wandelt sich und mit ihr auch die Anforderungen an Unternehmen, konstatierte er. Plötzlich seien ganz andere Kernkompetenzen gefragt als noch vor ein paar Jahren. Die Globalisierung und Digitalisierung mache keine Pause und es werde höchste Zeit sich den Herausforderungen zu stellen. Dieser Shift, diese Veränderung gehe uns alle an. Was passiere mit der Autoindustrie, wenn es dank Batterietechnik und selbstfahrenden Autos nur noch ein Siebtel der aktuellen Fahrzeuge brauche und die Autos auch noch aus Pappe wären, da das Unfallrisiko gegen Null ginge? „Hier steht eine ganze Industrie vor dem Abgrund, sagen Sie hinterher nicht, ich hätte nichts gesagt“, so Dueck. Es brauche Mut neue Dinge zu versuchen, die Aussage: „Da ist nicht unser Bereich oder unser Themenfeld“, das könne er nicht mehr hören.

 

Die Spirale nach unten

Er zeichnet dazu das Bild eines Marktes, auf dem man immer weniger bereit ist, für Qualität zu zahlen. Er bezog sich dabei auf „The Market for Lemons“ vom US-amerikanischen Nobelpreisträger George A. Akerlof. Dieser stellte die Theorie auf, dass wenn ein Käufer vor Vertragsabschluss die Qualität des angebotenen Produktes nicht kennt oder beurteilen kann, er von vornherein eine geringere Zahlbereitschaft hat. Das Risiko, eine „lemon“ zu erwischen, preist der Käufer also direkt ein und zwingt den Verkäufer von eigentlich sehr guten Waren, die Warenqualität zu reduzieren, um der verringerten Zahlbereitschaft der Käufer gerecht zu werden. So beginnt eine Abwärtsspirale bei dem der Käufer von Runde zu Runde weniger bereit ist zu bezahlen und der Verkäufer die Qualität seiner Produkte senkt.

 

„Aldi-sierung“ setzt ein

Dueck spricht deswegen von einer „Aldi-sierung“, bei der wir nur noch Produkte haben, die gerade so noch den Anforderungen entsprechen. „Das muss endlich aufhören, diese Spirale macht aus einem Land mit Spitzenprodukten mehr und mehr einen Ramschladen“, so Dueck.

 

Ein schwieriger Zustand

Die IT erlaube das Internet der Dinge, die Effizienzbemühungen der Unternehmen würden immer weiter steigen, oft einhergehend und getrieben von Sparzwängen. Zu was das führt und was das mit den Menschen macht? Dueck warnt in diesem Zusammenhang vor einem kollektive Burnout, der Platz für Innovationen und Kreativität kostet, die wir dringend bräuchten. „Ich habe einen Kollegen, der hatte den vierten Schlaganfall und sagte, das Projekt wollte ich gerne noch zu Ende bringen…“, berichtet Dueck und fordert Bonikürzungen für jeden Manager, in dessen Abteilung es zu Burnouts von Mitarbeitern kommt.

 

Dueck fordert in diesem Bereich auch deshalb mehr Sensibilität, weil die Digitalisierung zu einer weiteren Verschärfung führen wird: „Jeder Beruf verliert seinen „einfachen“ Teil, es bleibt nur noch der „schwierige“. Der nötige Exzellenzgrad wird steigen“. Man dürfe zudem nicht zulassen, dass der Graben zwischen hoch- und niedrig entwickelten Jobs zu groß werde. Am Ende könne sonst kein Arbeitnehmer diese Kluft überspringen und der klassische Weg, sich von unten nach oben zu arbeiten gehe völlig verloren. Dann habe man einen Fachkräftemangel, der sich gewaschen habe und man steuere direkt darauf zu.

 

Der Mensch im Mittelpunkt

Mit unserem aktuellen Bildungssystem sei die Entwicklung kaum zu vereinbaren. Es brauche Empowerment statt Enlightenment – bisher herrsche aber Fehlanzeige. Dazu eine Führung, die auf selbstständiges Arbeiten und Selbstverantwortung setzt.  Das klassische Command and Control sei keine Lösung, sagt Dueck. Er sieht viele Probleme, aber zeigt auch mögliche Wege aus der aktuellen Misere. Er will vor allem eine Gesellschaft bauen, in der Menschen „artgerecht gehalten“ werden, wie er es nennt – auch mit Daten, Vernetzung und Automatisierung. Es müsse eine ökonomische Vernunft einsetzen, die den Menschen in den Blick nimmt und uns lehrt, in fetten Jahren Maß zu halten und in mageren gelassen zu bleiben.

Räume für das Andere lassen

Er appelliert daran, dass man auch den Querdenkern Räume lassen solle und eben nicht alles nur leistungs- und gewinnmaximierend angehen könne. Er wünscht sich eine Arbeitswelt, in der auch Platz für Innovationen ist und in der Eltern ihre Kinder aufwachsen sehen, nur so könne aus seiner Sicht auch wertschöpfende Arbeit überdauern.