Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung

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09.10.2017

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.02.2017 – 1 ABR 12/15 – festgestellt, dass die Entscheidung eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltserhöhung auszunehmen, zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze führe und damit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt. Dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde: Die nicht tarifgebundene Arbeitgeberin, die in Deutschland 3 Produktionsstandorte unterhält und der Betriebsrat eines der Werke stritten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Gehaltserhöhungen.

 

Die Arbeitgeber vereinbarte mit ihrem Gesamtbetriebsrat im Juni 2011 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem für verschiedene sog. Jobfamilien. Darin geregelt waren u. a. „Grundsätze der jährlichen Gehaltsanpassung“ sowie dass die Arbeitgeberin jährlich das allgemeine zur Verteilung im Rahmen der Gehaltserhöhung für alle Arbeitgeber zur Verfügung stehende Volumen bestimmt und dem Gesamtbetriebsrat mitteilt. Die Umsetzung der Gehaltserhöhung erfolgt durch Betriebsvereinbarung mit den örtlichen Betriebsräten.
Arbeitgeberseitig war erstmalig entschieden worden, alle Arbeitnehmer, die einem bestimmten Geschäftsbereich zugeordnet sind, von der Gehaltsanpassung für das Jahr 2014 auszunehmen. Der Arbeitgeber hatte die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, da es sich um eine freiwillige Leistung handele, deren Adressatenkreis sie mitbestimmungsfrei vorgeben könne.
Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung der Arbeitgeberin nicht gefolgt und hat ausgeführt: Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung mitzubestimmen. Entlohnungsgrundsätze sind die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebes in abstrakter Weise ergibt. Die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts wird nicht vom Beteiligungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfasst.

 

Entschließt sich demnach ein nicht tarifgebundener Arbeitergeber, bestimmte Geschäftsbereiche von einer Gehaltsanpassung auszunehmen, führt dies zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze. Diese Entscheidung hat nämlich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändert. Deshalb liegt aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vor.

 

 

Beratungshinweis

In der Praxis wird immer wieder die Frage aufgeworfen, wann dem Betriebsrat in Gehaltsfragen überhaupt und ggf. inwieweit ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt entschieden, dass der Betriebsrat bei der Lohn- und Gehaltshöhe kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat. Dies gilt aber nur bei sog. linearen Anpassungen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht jedoch dann, wenn der Arbeitgeber eine geplante Gehaltserhöhung unterschiedlich verteilen will.