Talente von morgen heute gewinnen:
Strategien zur frühzeitigen Bindung von Studierenden
Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig, Unternehmen suchen nach innovativen Wegen, um Talente frühzeitig an sich zu binden. Mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren und einer außergewöhnlich nachhaltigen Bindung ihrer Werkstudierenden ist die Landwind-Gruppe ein Beispiel dafür, wie ein Familienunternehmen es schafft, die besten Köpfe schon während des Studiums zu gewinnen, zu halten – und für sich zu begeistern. Im Interview mit der Geschäftsführerin Bärbel Heidebroek erfahren Sie, wie das gelingen kann.
Interview + Redaktion: Alice Hossain/Fotos: Landwind-Gruppe
AGV: Erzählen Sie uns doch zum Einstieg etwas über die Landwind-Gruppe und darüber, wie Sie und ihr Mann diese aufgebaut haben.
Bärbel Heidebroek: Unser Unternehmen, die Landwind-Gruppe, wurde vor 20 Jahren von meinem Mann und mir gegründet. Wir starteten praktisch als Zwei-Personen-Startup und bauten unsere Firma von Anfang an auf. Inzwischen beschäftigen wir 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in verschiedenen Bereichen innerhalb unserer Gruppe tätig sind. Unsere Geschäftsfelder erstrecken sich über die Planung, den Bau und den Betrieb von Windenergie- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen.
Unser Fokus liegt auf der nachhaltigen Energiegewinnung aus Wind und Sonne, und wir decken praktisch den gesamten Lebenszyklus der Anlagen ab – von der anfänglichen Planung bis hin zum langfristigen Betrieb. In den vergangenen fünf Jahren haben wir unser Unternehmen erheblich erweitert und unsere Belegschaft verdoppelt. Diese Expansion ermöglicht es uns, sämtliche Prozesse intern abzudecken und durchzuführen.
In unserer Firma beträgt das Durchschnittsalter unserer Belegschaft 35 1/2 bzw. 36 Jahre. Wir sind stolz darauf, ein vielfältiges Team zu haben, bestehend aus jungen Studierenden und erfahrenen Fachkräften. Diese Mischung sehen wir als eine echte Stärke an.
Die Geschäftsführung liegt in den Händen meines Mannes und mir. Diese Kombination hat sich als äußerst wertvoll erwiesen, da wir uns gegenseitig ergänzen können. Wir glauben fest daran, dass Männer und Frauen unterschiedliche Denkweisen haben, und diese Vielfalt ist weder besser noch schlechter, sondern einfach nur unterschiedlich. Wenn sich diese Verschiedenheit ergänzt, entsteht eine großartige Partnerschaft.
Auch in unserem Unternehmen verfolgen wir einen ausgewogenen Ansatz in Bezug auf Geschlechtervielfalt. Über alle Ebenen hinweg haben wir z. B. ein Verhältnis von Männern zu Frauen von etwa 60 zu 40 Prozent. Das spiegelt unsere Überzeugung von Vielfalt und Chancengleichheit wider.
AGV: Die Förderung von Talenten spielt eine entscheidende Rolle bei der langfristigen Bindung von Fachkräften. Können Sie uns Einblicke geben, wie Ihr Unternehmen Werkstudierende aktiv fördert?
Bärbel Heidebroek: In unserem Unternehmen bieten wir Schülern/-innen und Studierenden regelmäßig Praktika und Arbeitsmöglichkeiten an. Wir sind offen für Interessierte, die die Branche kennenlernen möchten, und das gilt bereits ab einem Alter von 16 Jahren. Dabei legen wir großen Wert auf Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitsvolumen und Umfang. Unser Ziel ist es, jungen Menschen die bestmögliche Gelegenheit zu bieten, die Branche zu erkunden, unser Unternehmen kennenzulernen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Wir ermutigen auch Studierende, ihre Bachelor- oder Masterarbeit bei uns zu schreiben.
In der Regel bieten wir, wenn es von beiden Seiten her passt, nach Abschluss des Studiums eine Weiterbeschäftigung an. Das hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, da sowohl die Mitarbeitenden als auch das Unternehmen bereits gut einschätzen können, was sie erwartet. Aufgrund dieser Praxis haben wir eine sehr positive Bilanz, mit nur wenigen Mitarbeitenden, die das Unternehmen verlassen.
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AGV: Können Sie mit uns einige Methoden oder Best Practices teilen, die Sie erfolgreich einsetzen, um Werkstudierende langfristig zu engagierten Teammitgliedern zu entwickeln?
Bärbel Heidebroek: Für uns sind vor allem drei Schlüsselfaktoren entscheidend. Erstens legen wir großen Wert darauf, unsere Mitarbeitenden in Positionen einzusetzen, in denen sie ihre Stärken ausspielen können und Freude an ihrer Arbeit haben. Wir verfolgen dabei einen flexiblen Ansatz und vermeiden weitgehend starre, festgelegte Stellenbeschreibungen und Strukturen. Stattdessen schauen wir individuell, was jede Person gut kann und wofür sie sich begeistert, um sie entsprechend einzusetzen.
Zweitens bieten wir maximale Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten. Es gibt bei uns keine starren Vorgaben für das Homeoffice oder feste Arbeitszeiten. Stattdessen ermöglichen wir unseren Mitarbeitenden, je nach Bedarf und Teamdynamik, flexibel zu agieren. Besonders, wenn familiäre Verpflichtungen hinzukommen, ist diese Flexibilität von großer Bedeutung. Sie erlaubt es, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Drittens setzen wir große Anstrengungen in eine effektive Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden. Wir möchten sicherstellen, dass unsere Mitarbeitenden von Anfang an gut betreut und integriert sind und sich nicht verloren fühlen. Teammitglieder stehen immer bereit, um Fragen zu klären und Unterstützung zu bieten.
Darüber hinaus ist es uns ein Herzensanliegen, den Charakter unseres Familienunternehmens mit flachen Hierarchien zu bewahren. Unsere Firmen-Events haben eine hohe Beteiligungsrate von 80 bis 90 % unserer Mitarbeitenden. Wir sind bestrebt, ein positives Teamumfeld zu schaffen, in dem Menschen gerne zusammenarbeiten und sich gut verstehen. Ein solcher gelebter Teamspirit ist für uns von zentraler Bedeutung und prägt unsere Unternehmenskultur.
Ich empfinde es als eine Bereicherung, Verantwortung zu übernehmen und aktiv an der Gestaltung und Weiterentwicklung unseres Unternehmens mitzuwirken. Diese persönliche Überzeugung reflektiert sich meiner Meinung nach in der gesamten Arbeitsatmosphäre. Das Engagement und die Verantwortungsbereitschaft der Geschäftsführung tragen dazu bei, eine positive und motivierende Umgebung für unsere Mitarbeitenden zu gestalten.
AGV: Wie trägt Ihr Unternehmen durch die langfristige Bindung von Werkstudierenden und Absolventen/innen zur Stärkung der regionalen Fachkräftebasis bei?
Bärbel Heidebroek: Durch unser Unternehmen wird in dieser Region natürlich zunächst einmal Wirtschaftskraft generiert, was sich u. a. in Form von Steuerzahlungen niederschlägt. Darüber hinaus beschäftigen wir viele Mitarbeitende, von denen einige vielleicht in naher Zukunft Familien gründen möchten. Dies erfordert jedoch eine geeignete Infrastruktur, wie beispielsweise Wohngebiete und Kindergartenplätze.
Unser Standort ist von Braunschweig aus in nur einer halben Stunde erreichbar, dies mag für einige überraschend sein. Daher betrachten wir die ländliche Lage unseres Unternehmens keineswegs als Nachteil. Im Gegenteil, es bietet viele Vorteile, wie die Vermeidung von Verkehrsstaus und die stets verfügbaren Parkmöglichkeiten. Ein ländlicher Arbeitsplatz hat zweifellos seine Vorzüge.
Unsere Entscheidung, in Gevensleben zu bleiben und sogar ein neues Bürogebäude hier zu errichten, haben wir bewusst getroffen. Damit unterstreichen wir unser tief verwurzeltes Engagement für den Charakter unseres Familienunternehmens. Wir sind überzeugt, dass wir diesen einzigartigen Charakter am besten bewahren können, indem wir an unserem aktuellen Standort bleiben und die Kontinuität sicherstellen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch über unsere gegenwärtige Generation hinaus. Wir sind fest entschlossen, sicherzustellen, dass die Landwind-Gruppe eine erfolgreiche Zukunft hat. Unsere Vision ist klar, und unser Engagement für die nachhaltige Weiterentwicklung unseres Unternehmens bleibt bestehen.
Frau Heidebroek, herzlichen Dank für das Interview.