Wenn man eins nicht über Bärbel Heidebroek sagen kann, dann ist es der Umstand, dass sie zu wenig Interessen hätte. Natürlich wären da in erster Linie ihre vier Kinder und die Familie, dazu die Geschäftsführerposition bei Landwind, das hohe ehrenamtliche Engagement als Vize-Präsidentin im Bundesverband für Windenergie, ihre Tätigkeit im Beirat des Arbeitgeberverbandes Region Braunschweig, als gewähltes Mitglied der IHK Braunschweig oder das Mitwirken in der Kirchengemeinde. Dazu ist sie Teil einer Saxophon-Combo, übt Gitarrespielen und reitet für ihr Leben gern. Und ja, diese Liste könnte man problemlos erweitern. Im Gespräch mit ihr geht es darüber hinaus um Nachhaltigkeit, die Stagnation im Windenergie-Sektor und Vorurteile…
Viele Wege führen zum Wind
Als ich Bärbel Heidebroek in ihrem Büro in Gevensleben treffe, bin ich schon an einigen Windrädern vorbeigekommen; die hat zwar nicht Landwind gebaut, aber für die Betreuung würde man vor Ort schon sorgen, erklärt sie mir. Mit diesen und weiteren Anlagen, die dann auch durch Landwind gebaut wurden, betreut man mittlerweile rund 100 Windräder in der Region. Auf die Frage, wie das denn alles entstanden sei, muss die Geschäftsführerin lächeln. „Nach dem Abitur kamen mir ganz unterschiedliche Ideen. So hatte ich einen Medizin-Studienplatz sicher, wollte aber auch die Entwicklungsarbeit näher kennenlernen und war zudem an Landwirtschaft interessiert. Nach Aufenthalten in Brasilien, der Dominikanischen Republik und Russland entschied sie sich schließlich, dass ihr Platz in der ökologischen Landwirtschaft liegen sollte. „Im Studium habe ich damals meinen Mann (Alexander Heidebroek) kennen und lieben gelernt und so hat es mich dann nach Gevensleben verschlagen.“ Hier übernahmen sie gemeinsam den landwirtschaftlichen Betrieb der Schwiegereltern (Heidebroek). „Natürlich konnten wir dabei nicht von jetzt auf gleich auf ökologische Landwirtschaft umstellen, aber nach und nach wurde der Betrieb auf Nachhaltigkeit umgestellt und ist heute sogar nach DLG-Nachhaltigkeitsstandards zertifiziert. Darauf bin ich auch wirklich stolz.“ Ein Betriebsleiter kümmert sich heute um das Geschäft, stimmt sich aber eng mit dem Ehepaar ab, wenn es um wegweisende Entscheidungen geht.
Als das Landvolk die ersten Windkraftanlagen in der Region baute war auch Alexander Heidebroek mit dabei. Sein Interesse an der Windkraft bestand schon einige Zeit und so entwickelte das Ehepaar die Idee weiter und stieg 2001 selbst in das Windrad-Geschäft ein. „Wir wollten eigentlich klein anfangen, haben dann aber am Anfang gleich einen Auftrag über zwölf Windräder bekommen. Dabei haben wir dann alle Probleme mitgenommen, die man sich so vorstellen kann, es aber am Ende geschafft und die Anlage ging in Betrieb“, erzählt die Geschäftsführerin.
Fehlender Wille?
Nun könnte man meinen, dass die aktuelle „Grüne Welle“ der letzten Jahre auch Wind unter den Flügeln der großen Räder war; das Gegenteil ist allerdings der Fall, wie ich erfahre. „Ich denke, dass wir mittlerweile am Tiefpunkt angekommen sind, wenn man auf die Windkraft in Deutschland schaut“, erklärt Bärbel Heidebroek und hofft darauf, dass es nicht noch schlimmer wird. „Durch einen mangelnden Willen der Bundespolitik, willkürliche Auflagen bei der Raumplanung und zunehmender Panikmache, ist etwas zunehmend in Schieflage geraten“, erklärt sie mir. Man habe auf der einen Seite große Teile der Bevölkerung, die sich das Zunehmen von Erneuerbaren Energien wünschen, die Fridays for Future Bewegung, die viele junge Leute vertreten und auf der anderen Seite Stagnation in der Bundespolitik und das Vermeiden von klaren Statements für einen Ausbau der Windkraft. Dies sei auch immer wieder mit Panikmache vor neuen Windparks verbunden. Landwind hat sich dazu entschieden, immer umfassend vor Ort zu informieren, wenn ein neues Projekt entsteht. „Es gibt Bürgerversammlungen, Baustellentermine und wir haben eine Stiftung, die sich auch immer vor Ort für nachhaltige Projekte einsetzt. Das kann ein Kinderspielplatz sein oder eine neue Beschallungsanlage für das Dorfgemeinschaftshaus, uns ist es wichtig auch ins Gespräch zu kommen, einfach auch um Ängste abzubauen“, so Heidebroek.
„Ich finde schon, dass es einige Dinge gibt, die sich zukünftig ändern müssen“
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund engagiert sich die Powerfrau im Bundesverband für Windkraft. „Ich finde schon, dass es einige Dinge gibt, die sich zukünftig ändern müssen. Natürlich ist es wichtig beim Ausbau der Windkraft auf Mensch und Tier zu achten, aber es wird bisweilen auch Panikmache betrieben. 115 Millionen Vögel sterben pro Jahr durch den Flug gegen Glasscheiben, 70 Millionen im Verkehr und 60 Millionen Vögel fallen Katzen zum Opfer, dagegen sind es durch Wind-Energie etwa 100.000. Natürlich ist jedes einzelne Tier das stirbt zu viel, aber man muss es auch einmal in Relation setzen“, erklärt sie mir. Ganz ähnlich würde es mit der Diskussion über Wertverluste von Häusern in der Nähe von Windanlagen und Lärmbelästigung aussehen. „Es gibt keinerlei Statistik darüber, dass es tatsächlich zu einer Wertminderung kommt. Bei Neubaugebieten ist eher zu beobachten, dass es der Nachfrage keinen Abbruch tut. Dazu kommt: Natürlich hört man Windräder ab und an, aber man hört auch den LKW auf der Straße oder ein überfliegendes Flugzeug, da fehlt mir die Verhältnismäßigkeit.“ Bärbel Heidebroek ist der Meinung, dass die umweltverträgliche Energiewende absolut umsetzbar sei, aber es müsse auch der Wille dazu da sein. Vom Land Niedersachsen empfange man seit einiger Zeit sehr positive Signale. „Hier habe ich wirklich das Gefühl, dass jetzt ernsthaft etwas passieren soll und das auch der wirtschaftliche Faktor erkannt wurde. Jetzt ist es wichtig, dass der Regionalverband im regionalen Raumordnungsprogramm Vorrang- und Eignungsgebiete für Windenergienutzung endgültig festlegt, damit es zügig weiter gehen kann.“
Gemeinsam sind wir stark
Mittlerweile hat das Unternehmen in Gevensleben rund 40 Mitarbeiter und auch das Portfolio ist gewachsen – mit Landstrom kam ein regionaler Stromanbieter dazu, der auch vom Ehepaar gegründet wurde. Dass die Büroräume etwas ländlicher liegen, hat für das Team durchaus Vorzüge. „Wir haben einen großen Badesee am Gebäudekomplex, der gerne von den Mitarbeitern genutzt werden kann und in 30 Minuten ist man ohne Stau in Braunschweig, da man immer gegen den Strom fährt. Dazu legen wir großen Wert auf Familienfreundlichkeit und flexible Arbeitsformen. Wir haben einige Mitarbeiter, die komplett im Homeoffice arbeiten und achten sehr genau darauf, dass auch unser Team gehört wird, wenn es um die Ausgestaltung der eigenen Arbeitszeit geht“, berichtet Heidebroek. Natürlich brauche der eine Mitarbeiter ein paar andere Vorgaben, als der andere, aber es gelinge sehr gut, ein vertrauensvolles und offenes Miteinander zu pflegen.
„Es passt auch viel mehr zu meinem Führungsstil Freiräume zu geben, wenn ich mich darauf verlassen kann, dass auf der anderen Seite dann auch mit Leistung etwas zurückgegeben wird.“ Sie selbst habe als Selbstständige das Privileg gehabt, sich die Arbeit in Bezug auf die Kinder immer so einzuteilen, dass beides möglich war – Karriere und Familie. Auch heute sei es ihr wichtig, täglich für den Nachwuchs zu kochen und genügend Zeit für die Kinder zu haben, da die Arbeit und Privates so eng verwoben sei, konnte sie durchgängig Teil der Firma bleiben. Ein Stück weit versuche man das den Mitarbeitern zu ermöglichen. Um zu arbeiten muss man nicht zwingend acht Stunden im Büro sitzen, befindet die Mutter von vier Kindern. Dass sie gemeinsam mit ihrem Mann die Geschäfte leiten kann, sieht sie dabei als hohes Privileg. „Ich denke es ist wichtig, dass man sich klare Zuständigkeiten schafft, ansonsten verwirrt es auch die Mitarbeiter; dann kann es aber wirklich ein hohes Gut sein. Ich glaube, dass wir alleine so ein Projekt nicht begonnen hätten, wir konnten das nur gemeinsam schaffen und das verbindet auch ungemein.“ So wird es auch bei der schwierigen Lage in Zukunft Strom aus Erneuerbaren Energien aus der Region geben und vielleicht ändert sich ja auch politisch bald etwas grundlegend, hofft die Unternehmerin…