Im Gespräch mit... Axel Ditzinger

Die AGV-Rechtstipps

01.02.2022

Vizepräsident war Axel Ditzinger bei Eintracht Braunschweig schon, nun möchte der Unternehmer der kommende Präsident der Löwen werden. Als Geschäftsführer der Werner Ditzinger GmbH unterstützt er „seinen“ Verein schon seit vielen Jahre, nun will er mit seinem Team den Traditionsclub noch stärker prägen. Ein Gespräch über 2-Jährige auf Meisterfeiern, Mirko Boland, Torsten Lieberknecht und eine echte Vision für den BTSV.

 

Seit mehr als 25 Jahren sind Sie Mitglied und seit fast 20 Jahren unterstützen Sie den Verein als Sponsor. Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Sie blau-gelb fest im Herzen tragen. Was fasziniert Sie persönlich an der Eintracht?

 

Die Eintracht hat mich schon mein Leben lang begleitet. Es ist für mich immer wieder beeindruckend, wie tief sich die Region seit Jahrzehnten mit diesem Verein verbunden fühlt und welchen wichtigen sozialen und gesellschaftlichen Stellenwert Eintracht Braunschweig für viele Menschen hat. Somit war es auch für mich immer klar, als Mitglied und Sponsorenpartner meine persönliche Verbundenheit zum Ausdruck zu bringen.  

 

Ich habe gelesen, dass Sie zumindest als 2-Jähriger auf der Meisterfeier waren – leider ohne Erinnerung – erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Spiel im Stadion?

 

Mein Vater erzählte mir, dass ich auf seinen Schultern an der Meisterfeier teilgenommen haben soll. Da habe ich wahrscheinlich das Eintracht-Gen bereits akustisch verabreicht bekommen. (lacht!) Ich weiß heute nicht mehr genau, welches mein erstes aktives Spiel als Zuschauer war. Ich sehe mich auf jeden Fall noch als kleiner Junge hinter dem Zaun stehend, den großen Bundesliga-Idolen zujubeln. Eigentlich gab es in meinem Leben nie eine Zeit ohne die Eintracht und das in guten wie in schwierigen Zeiten.

 

Gibt oder gab es einen Lieblingsspieler im Trikot der Löwen und was machte/macht ihn für Sie besonders?

 

Es gibt natürlich viele große Namen im Eintracht-Trikot, für die ich geschwärmt habe. Bernd Gersdorff, Danilo Popivoda, Paul Breitner waren schon schillernde Namen. Mit Bernd Franke im Tor verband mich am gleichen Tag Geburtstag zu haben. Da war ich als Jugendlicher stolz drauf. Bei Mirko Boland hat mir immer die unglaubliche Griffigkeit und der Siegeswille gefallen.

 

Nun werden Sie aber nicht allein aus „Fan-Gründen“ das Präsidenten-Amt bei den Löwen anstreben – was ist die Motivation, dass Sie sich jetzt dieser Aufgabe stellen?

 

Seit Jahren können wir beobachten, dass sich unsere Eintracht in einem sportlichen und wirtschaftlichen Niedergang befindet. Nachdem wir nach 28 Jahren endlich wieder 2013/2014 in der ersten Bundesliga angekommen sind, hat für mich der nächste Schritt zu weiteren Professionalisierung gefehlt. Es gab und gibt kein nachhaltiges sportliches Konzept, aus dem sich mittelfristig etwas Erfolgreiches entwickeln lassen würde. Deswegen sind wir im weiteren Verlauf auch fast in der vierten Liga gelandet. Was ein Absturz. Eintracht Braunschweig wird wahrscheinlich nie ein Verein sein, der finanziell aus dem Vollen schöpfen können wird. Insofern müssen wir gezielter auf die Entwicklung des Nachwuchsleistungszentrums setzen. Junge Talente müssen für Eintracht gewonnen, behutsam aufgebaut und möglichst frühzeitig mit längerfristigen Verträgen gebunden werden. Danach müssen sie an die Profimannschaft herangeführt und integriert werden. Mit unserem Abstieg der erste Herrenmannschaft aus der zweiten Liga sind parallel weitere Nachwuchsmannschafen von uns abgestiegen, zusätzlich ist die U23  abgemeldet und das Scouting eingestellt worden. Für mich eine Bankrotterklärung. Meine Motivation ist, hier gegenzusteuern und ein entsprechendes Konzept zusammen mit erfahrenen Personen aus dem Fußballgeschäft zu entwickeln und nachhaltig zu etablieren. Vereine wie Greuther Fürth, die seit Jahren eine hervorragende Nachwuchsarbeit leisten, mit der jüngsten Mannschaft aller Zeiten den Aufstieg in die erste Bundesliga schaffen und das mit einem Mini-Etat von 8,5 Millionen Euro erreicht haben, müssen unsere Vorbild sein. Vereine wie Freiburg oder Union Berlin zählen ebenfalls nicht zu den finanzstärksten Klubs, arbeiten aber mit einem hervorragendem Konzept seit Jahren erfolgreich und etablieren sich erfolgreich in der 1. Bundesliga. Das sollten unsere Vorbilder und Maßstab sein.

 

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? Können Sie Ihre Unternehmer-Expertise auch für das Amt nutzen?

 

Ich lebe einen modernen und offenen Führungsstil. Jeder ist wichtig im Unternehmen und hat seine Aufgaben und Erfahrungen. Ein patriarchischer Führungsstil liegt mir nicht und ich glaube, dass ich ein nahbarer und kritikfähiger Chef bin. Auch bei Eintracht Braunschweig darf es keine „Oneman“-Show geben. Aber die Richtung muss einvernehmlich stimmen. Als Unternehmer sollte man über den Tellerrand hinaus denken und planen. Ich mag keine Überraschungen, die mich unvorbereitet treffen. Deswegen würde ich auch bei Eintracht kein statisches Konzept für die Ewigkeit festlegen, sondern vorbereitet der jeweiligen Ligazugehörigkeit anpassen. Aber eine nachhaltige Vision für unsere Vereinsziele muss Grundlage sein.  

 

Als Großhandelsunternehmen versorgen Sie Kunden aus Industrie und Handwerk. Erzählen Sie uns doch etwas zu Ihrem Unternehmen und Ihrem persönlichen Werdegang.

 

Nach meinem Studium der Wirtschaftswissenschaften bin ich 1993 ins Familienunternehmen eingestiegen und habe das Unternehmen stetig weiterentwickelt. Zusammen mit zwei Geschäftsführungskollegen, einem motivierten Führungsteam und einer sehr engagierten Belegschaft, sind wir heute an fünf Strandorten in Deutschland und einem Tochterunternehmen in Polen mit rund 110 Mitarbeitern aktiv. Wir versorgen das Handwerk und die Industrie mit mehr als 700.000 Artikeln für den täglichen Bedarf aus den Sortimenten Werkzeuge, Wälzlager, Arbeitsschutz, Verbindungselementen, Betriebseinrichtungen uvm.. Auch Reparaturen und Instandhaltungen können somit bestens vorbereitet durchgeführt werden.

 

Kann man aus Ihrer Sicht Erfahrungen aus der Wirtschaft für einen Sportverein nutzen?

 

Natürlich schaue ich nicht nur durch die Fußballbrille auf den Verein. Wir haben tolle Abteilungen, die zum Teil auch auf eine sehr erfolgreiche Vergangenheit zurückschauen. Insofern wird es immer Ziel sein, auch die Abteilungen zu Höherem zu führen oder wieder an alte Erfolge anzuknüpfen. Ich sehe keinen Widerspruch im unternehmerischen Handeln und gleichzeitig das Vereinsleben zu fördern. Große Fußballvereine machen es uns vor, dass man mit strukturiertem Management auch in anderen Abteilungen und Sportarten erfolgreich um Meisterschaften kämpfen kann. 

 

Woher kam der Anstoß, dass jetzt noch einmal zu machen – Nachdem es im Sommer ja Ihren Rücktritt als Vizepräsident gab?

 

Grundsätzlich gab es bei mir nie Zweifel daran, mein Engagement für Eintracht auch weiterhin anzubieten. Die unterschiedlichen Vorstellungen über die zukünftige Ausrichtung sowie die Erkenntnis, dass wir als Team nicht zusammenpassen haben mich zu dem Schritt des Rücktritts bewogen. Ich will nicht behaupten, dass ich damals schon wusste worauf es bei den Novemberwahlen hinausläuft, aber das sich die Dinge weiterhin in die falsche Richtung entwickeln, war erkennbar.

 

Mit Bettina Heinicke, Dr. Thies Vogel, Christoph Köchy und Jens von Mach haben Sie bereits die Grundlage für ein sehr schlagkräftiges Team geschaffen. Was spricht für diese Personenauswahl?

 

Grundsätzlich habe ich mir natürlich schon im Vorfeld viele Gedanken über die Teamzusammenstellung gemacht. Wichtigste Voraussetzung ist, dass alle glühende Einträchtler sind und ausschließlich das Wohl des Vereins im Fokus haben. Es geht hier niemanden nur um Posten. Mit Bettina Heinicke haben wir eine ehemalige aktive und sehr erfolgreiche Sportlerin aus früheren Eintracht-Zeiten gewinnen können, die aus eigener Erfahrung genau weiß, was von den Abteilungen gegenüber des Präsidiums erwartet wird. Thies Vogel hat ebenfalls aus seiner Jugendzeit als Aktiver Erfahrungen im Amateurfußball gesammelt. Zusätzlich wird er mit seiner juristischen Kompetenz dem Verein in rechtlichen Fragen wertvoll zur Verfügung stehen. Christoph Köchy ist Bankkaufmann und hat Sportmanagement studiert. Durch seine erfolgreiche Selbstständigkeit verfügt er ebenfalls über wertvolle Erfahrungen im Bereich Marketing und Kommunikation. Er ist Gründer der Uni-Liga und Präsident des Deutschen Kleinfeld-Fußball-Verbands. Durch seine Eintracht-Leidenschaft hat er sich in der Vergangenheit bereits mehrfach für den Verein bei verschiedenen Projekten unterstützend eingebracht. Mit Jens von Mach haben wir einen kompetenten Wirtschaftsprüfer aus Braunschweig gefunden, der bereits seit 2009 mit der Prüfung und Beratung im Profisport von Rechtsträgern der 1. Fußball Bundesliga bis zur Regionalliga, der 1. Handballbundesliga sowie gemeinnützigen Vereinen zu tun hat. Jens von Mach hat Erfahrung in der Erstellung und Prüfung von Sanierungskonzepten nach IDW S6 im Bereich Profifußball. Ein starkes Team, wie ich meine.

 

Die letzten Jahren waren – vorsichtig formuliert – nicht ganz leicht, wenn man auf die Löwen schaut – sportlich, aber auch neben dem Platz. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie die unterschiedlichen Strömungen im Verein wieder verbinden können? #

 

Kommunikation- und Dialogwilligkeit müssen wieder Einzug halten. Dies zu erreichen wird sicher eine meiner wichtigsten Aufgaben gleich zu Beginn meiner Präsidentschaft sein. Wir sollten nicht mehr übereinander sondern miteinander reden.

 

Wie kann es aus Ihrer Sicht gelingen, dass man Teile der Fans/Mitglieder wieder für einen gemeinsamen Dialog gewinnt? Sicherlich wird es weiterhin große Diskrepanzen in diesem Bereich geben. Vielen gefällt die zunehmende Kommerzialisierung des Sports nicht. Wie nimmt man alle mit und bewahrt Tradition ohne die Moderne zu vergessen?

 

Ich habe auch nach meinem Rücktritt den Dialog mit verschiedenen Interessengruppen gesucht um zu verstehen, welche verschiedenen Positionen vertreten werden. Ich habe allen Gruppierungen die gleiche Frage gestellt, ob sie in Braunschweig professionellen Fußball sehen wollen. Ausnahmslos wurde dies als klares Ziel bestätigt. Allen Beteiligten ist klar, dass es hierzu Geld, Sponsoren und professioneller Strukturen bedarf. Insofern liegt hier gar keine Diskrepanz in der Beantwortung der Kernfrage zugrunde. Die Aufgabe wird sein, dass wir unter Wahrung unserer 126-jährigen Tradition und unserer Vereinswerte die notwendige Kommerzialisierung wohl überlegt angehen und nicht grenzenlos überreizen. Ich glaube, dass das möglich ist.  

 

Was ist aus Ihrer Sicht falsch gelaufen – nach den sehr erfolgreichen Jahren unter Torsten Lieberknecht, stand am Ende fast der Fall in Liga 4. In der Ära-Lieberknecht haben nach außen alle an einem Strang gezogen, kann so etwas erneut gelingen?

 

Torsten Lieberknecht war damals ein Glücksfall für die Eintracht. Er war authentisch und verkörperte die Eintracht-Identität. Er hatte eine Philosophie, eine Vision und schaffte es, mit einer eingeschworenen Mannschaft über Jahre zu wachsen, diese gezielt mit neuen Spielern zu ergänzen, bis der Aufstieg in die 1. Bundesliga gelang. Insofern beweist genau das, was ich als nachhaltige Voraussetzung für den mittelfristigen Erfolg beschrieben habe. Auf der anderen Seite offenbaren die folgenden Abstiege auch das fehlende Gegensteuern der Verantwortlichen, weil es an Konzepten fehlte.  

 

Zumindest eine Sachen scheint momentan zu passen: Mit einem neuen Team spielen die Löwen bisher wieder erfrischend kämpferisch auf, was erwarten Sie in diesem Jahr noch von der Mannschaft?

 

Ich denke, dass der neue Trainer eine gute Rolle eingenommen und einen neuen Teamspirit geschaffen hat. Es tut gut zu sehen, wie die Mannschaft sich einbringt und bereit ist, die Zweikämpfe anzunehmen. Nach Jahren des inflationären Durchlaufs an Spielern scheint es, als wenn sich wieder eine Mannschaft gefunden hat. Vielleicht gelingt es uns, dass wir bis zum Ende nicht nur um den Aufstieg mitspielen sondern sogar das Aufstiegswunder erleben können. Trotzdem sollten wir jetzt nicht wieder nur auf den kurzfristigen Effekt hoffen, sondern die sportlichen Ziele durch nachhaltige Konzepte langfristig wahrscheinlicher machen.  

 

Langfristig gesehen, wo sehen Sie die Löwen, was muss auf Ihrer Sicht passieren, um den Verein wieder in besseres Fahrwasser zu bringen?

 

Als erstes gilt es die wirtschaftliche Stabilität abzusichern. Die Kapitalgesellschaft ist das wirtschaftliche Fundament des Gesamtvereins. Wenn es der Kapitalgesellschaft gut geht, werden auch die Abteilungen des Vereins davon partizipieren. Wenn wir unseren Sponsoren aufzeigen, dass wir mit den bereitgestellten Geldern vernünftig und nachhaltig wirtschaften, wird es möglich sein, die Bereitschaft zum stärkeren Engagement zu erhöhen. Schließlich wollen wir auch die Entwicklung der verschiedenen Abteilungen voranbringen und zu neuen Stärken führen. Wir wollen schließlich auch genug Finanzmittel für eine verbesserte Infrastruktur und Ausstattungen der Abteilungen bereitstellen können. Es wäre doch wunderbar, wenn wir auch wieder in anderen Sportarten um deutsche Meistertitel mitkämpfen könnten.   

 

Die Corona-Situation macht es natürlich auch wirtschaftlich enorm schwer langfristig zu planen – wie bewerten Sie die Einschränkungen die den Vereinen weiterhin auferlegt werden. Muss es hier nicht langsam konkrete Lösungen geben, da es für viele ohne die Zuschauereinnahmen eng werden wird?

 

Das auch im Profifußball von den Vereinen ein gesellschaftlicher Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet werden muss, ist unstrittig. Gerade in der dritten Liga sind aber die Einnahmen durch Zuschauer für viele Vereine überlebenswichtig. Ich würde mir wünschen, dass wir einheitliche Regelungen in der Zuschauerfrage erreichen würden. Es ist nicht vermittelbar, warum 80 km von uns entfernt in Magdeburg 15.000 Zuschauer die Spiele live im Stadion mitverfolgen dürfen und in Braunschweig nur 500 Zuschauer zulässig sind. Die Pandemie kennt keine Landesgrenzen. Neben der pandemischen Sinnhaftigkeit haben wir es somit auch noch mit einer zusätzlichen Wettbewerbsverzerrung zu tun.

 

Abschließend noch die Frage, wenn Sie einen Wunsch für die Eintracht frei hätten – welcher wäre das?

 

Das wir wieder die Eintracht in Eintracht erleben und in den nächsten Jahren auf wirtschaftlich gesundem Fundament wieder zu sportlich höheren Zielen streben können. Es soll wieder bei jedem Eintracht-Fan kribbeln, wenn der nächste Spieltag kommt.