Expertenrat: Führung durch Vertrauen als Schlüssel

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17.08.2017

Hand aufs Herz – haben Sie wirklich vollstes Vertrauen zu jedem Ihrer Mitarbeiter? Könnten Sie auch finanziell relevante Entscheidungen mit gutem Gewissen von Angestellten entscheiden lassen – und als Geschäftsführer etwas in den Hintergrund treten? Geht es nach Dr. Jan Herold, Geschäftsleitungsmitglied der Hch. Perschmann GmbH, dann sollten Sie zumindest einmal über solch einen Weg nachdenken. Im Experteninterview sagt er: Führung durch Vertrauen sei für alle Beteiligten mit Arbeit verbunden, könne aber viel Positives mit sich bringen.

 

Ständiger Wandel – viele Chance

Gründe für eine Neuausrichtung in der Mitarbeiterführung gäbe es aus seiner Sicht eine ganze Reihe. „Die Digitalisierung ändert die Spielregeln für alle möglichen Unternehmen – der Wettbewerb nimmt zu, neue Konkurrenz tritt in den Markt ein, auch branchenfremde Anbieter greifen an. Das Tempo wird allgemein höher und das setzt einen natürlich unter einen gewissen Druck.“ Aus den englischen Vokabeln: Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity ist der VUCA-Begriff entstanden, er beschreibt unsere aktuelle Welt. Sie ist volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig, beschreibt Herold. Sorgen mache ihm das aber nicht. „Es bietet sich die Chance schnell zu sein, die eigenen Geschäftsmodelle weiter zu entwickeln, um dann auch wieder neue Mehrwerte zu schaffen, die andere nicht haben.“ Klar sei dabei: „Es braucht Speed, Kreativität und am Ende eben auch die richtigen Leute und die müssen gefunden und gebunden werden.“ Dann fällt gleich eine ganze Reihe an passenden Schlagwörtern. „Homeoffice, Quality Time, Familie und Beruf verbinden? Junge Arbeitnehmer wünschen sich mehr Freiheiten bei Arbeitszeiten und Arbeitsumfang und setzen auf Flexibilität. Da hat sich in den letzten 15 Jahren viel verändert“ weiß Herold.

 

Vertrauen als Schlüssel

Auf die VUCA-Welt, die alternde Belegschaft, den Fachkräftemangel und Wünsche von Nachwuchskräften müssten Antworten gefunden werden. „Bei Perschmann sind wir der Meinung, dass Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter ein Schlüssel ist.“ Was bedeutet das konkret? „Die Mitarbeiter sollen Dinge ausprobieren und Fehler machen können, Freiheiten bekommen, kreativ denken dürfen und eben auch Entscheidungen fällen, die wichtig für das Unternehmen sind und dabei das Vertrauen der Vorgesetzten genießen.“

 

Eine Grundlagen-Entscheidung

So ein Schritt müsse wohl überlegt sein und passe wahrscheinlich auch nicht zu jedem Unternehmen, beschreibt Herold. „Es nützt auch nichts, wenn das alles nur halbherzig durchgeführt wird – allein ein Motto verordnen, was eigentlich nicht mitgetragen wird, bietet keine Erfolgschance.“ Man müsse auch mit Enttäuschungen rechnen, das gehöre sicherlich dazu. Ob er selbst keine Angst vor einem Kontrollverlust habe? „Am Ende heißt Vertrauen ja nicht, dass das Management sich komplett zurückzieht und das Feld allein den Mitarbeitern übergibt, also sehe ich die Gefahr nicht“, stellt er klar. „Es ist natürlich ein völliger Irrglaube zu denken, so, nun ist bei uns in der Firma Vertrauen in die Mitarbeiter angesagt und dann läuft das. Auch die Angestellten müssen durch Schulungen das richtige Werkzeug erhalten. Es können nicht einfach Freiheiten gegeben werden, um dann einmal zu schauen wohin der Weg führt.“

 

Veränderung ist überall

Und wie sieht das ganze aktuell bei Perschmann aus? „Nach meiner Einschätzung sind wir in diesem Bereich relativ weit vorne, ich kenne andere Branchen und Bereiche, wo eher auf eine Kontrollkultur gesetzt wird. Klar kann das so gehandhabt werden, es ist jedem Unternehmen selbst überlassen und nichts dagegen einzuwenden. Ich denke aber, dass eine Vertrauenskultur, die gemeinsam erarbeitet wurde, sehr viel zielführender ist.“ Zur Strategie gehört auch ganz bewusst das neue Firmengebäude in Wenden. „Viel Glas, Transparenz, offene Türen, die den Gedanken unterstützen, Netzwerke zu schaffen, Teams, die gemeinsam an Dingen arbeiten und dabei Spaß haben, unabhängig von Hierarchien. Dazu setzen wir häufig auf agile Methoden, versuchen möglichst auf Formalitäten zu verzichten und vielmehr Geschwindigkeit und Kreativität zu erreichen. Natürlich sind wir auch als Geschäftsleitung ständig damit beschäftigt, alles weiter zu denken, das Geschäft weiter zu digitalisieren.“ Vieles ändere sich, aber man könne auch in dieser neuen Welt weiter wachsen. „Arbeitsplätze werden sich verändern, manuelle Standardtätigkeiten, die sich wiederholen, werden wegfallen, aber es entstehen auch neue, wertschöpfende Tätigkeiten. Wer dann gut geschulte Mitarbeiter hat, denen man vertrauen kann und die diese Wertschätzung innerhalb der Firma genießen, der hat aus meiner Sicht einen Wettbewerbsvorteil.“

 

Wer ist Dr. Jan Herold?

Dr. Jan Herold, Geschäftsleitungsmitglied bei Perschmann, zuständig für den kaufmännischen Bereich, Finanzen, Controlling, IT und Personal. Der Wirtschaftsinformatiker hat in Braunschweig promoviert. Nach Stationen in der Stahl- und Großindustrie lernt er nun den Mittelstand kennen. Sein erstes Fazit: „Man kann im Mittelstand noch mehr bewegen, weil die Entscheidungswege kürzer sind, weil es weniger Hierarchien gibt.“