BAG definiert sexuelle Belästigung

Die AGV-Rechtstipps, Neues aus den Verbänden

09.10.2017

Die absichtliche Berührung von Geschlechtsteilen kann – auch ohne sexuelle Absichten – eine fristlose Kündigung rechtfertigen, so das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 29.06.17 – 2 AZR 302/16. In einem Stahlwerk in Bremen war der Kläger seit über 23 Jahren als Arbeiter beschäftigt. Er packte einen Leiharbeitnehmer schmerzhaft von hinten am Geschlechtsteil und machte dazu rüde Bemerkungen. Das BAG führt aus, dass der gezielte Griff in die Genitalien des Leiharbeitnehmers eine sexuell bestimmte körperliche Berührung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG sei. Es handele sich um einen auf die primären Geschlechtsmerkmale und damit auf die körperliche Intimsphäre des Leiharbeitnehmers gerichteten körperlichen Übergriff, durch den die sexuelle Selbstbestimmung des Betroffenen und damit seine Würde verletzt worden sei. Auf die Motivation des Klägers komme es nicht an. Die anschließende Äußerung des Klägers, der Leiharbeitnehmer habe „dicke Eier“, sei in diesem Zusammenhang eine entwürdigende Bemerkung sexuellen Inhalts i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG. Selbst wenn eine solche Erklärung in einem anderen Kontext als Anerkennung von Entschlossenheit oder Mut des Betroffenen zu verstehen sein könne, sei dafür im vorliegenden Zusammenhang kein Raum. Die durch den vorausgegangenen körperlichen Übergriff bewirkte Demütigung des Leiharbeitnehmers sei durch die entsprechende Äußerung des Klägers vielmehr noch verstärkt worden, indem die vorherige körperliche Belästigung sprachlich manifestiert und der Betroffene dadurch erneut zum Objekt der vermeintlichen Dominanz des Klägers gemacht worden sei.Die Sache wurde an das LAG Bremen zurück verwiesen.

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