Aus den Gerichtssälen #1

Allgemein

19.10.2020

Heute berichte ich von einem Rechtsstreit, der vor einem Arbeitsgericht in Deutschland läuft und von dem Sie in der nächsten Ausgabe auf dem Laufenden gehalten werden.
Die Öffentlichkeit formiert sich
Im Gerichtssaal nahm ein Herr aus einer Gruppe von Männern Platz, die anscheinend während der Corona Zeit nach Abwechslung suchten. Sie lasen bereits auf dem Korridor die Terminszettel durch. Einer meinte: “Ach guck mal: Firma XXX … Da ist auch immer was los. Lasst uns da hingehen.“ In Anbetracht der 3 für die Öffentlichkeit gestellten Besucherstühle übernahm nur einer der Männer den Besucherpart.
Der hünenhafte Kläger fragte die Richterin, wer der Mann sei und sie erklärte, dass das die Öffentlichkeit sei. Dann wolle er die Öffentlichkeit ausschließen. Er sei nicht hier, um andere zu unterhalten oder gar ein Video zu drehen. Die Richterin wies darauf hin, dass im Arbeitsrecht die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kläger wollte wissen, wo das denn stehe. „Im Grundgesetz“, so die Antwort der Richterin. Immerhin schien ihn das Grundgesetz zu beeindrucken. Der Kläger blieb allerdings an seinem Tisch stehen.
Als die Richterin den Aufruf zur Sache machen wollte, erklärte der Kläger, dass er erst noch zwei Anträge stellen wolle. Das müsse immer vor Beginn einer Verhandlung erfolgen.
Die Richterin sagte ihm, dass das nicht richtig sei. Allerdings fing der Kläger laut an, zwei Seiten vorzulesen. U.a. machte er in „seinen Anträgen“ darauf aufmerksam, dass die Richterin hafte, wenn hier gegen die Corona Regeln verstoßen werde.
Er erklärte auf Nachfrage der Richterin, dass er wegen der Corona Gefahr nicht verhandeln wolle. Die Richterin entgegnete, dass er das doch schriftsätzlich hätte mitteilen sollen und nicht erst jetzt. Der Kläger meinte, die Angelegenheit sei doch schon mehrfach wegen Corona verlegt worden und die Werte seien unverändert.
Die Richterin entgegnete, dass eine der Verlegungen nicht wegen Corona erfolgt sei, sondern weil sie selbst krank gewesen sei. Daraufhin erklärte ich, dass, wenn der Kläger heute nicht auftreten wolle, ich den Erlass eines Versäumnisurteils beantragen möchte. Der Kläger protestierte, dass er ja da sei. Die Richterin sagte:“ Das ist eine Ausnahmesituation. Ich erlasse kein Versäumnisurteil.“
Ich wies darauf hin, dass entweder die Sitzung eröffnet werden müsse oder aber der Termin zu verlegen sei. Auf jeden Fall möchte ich die Fahrtkosten erstattet haben. Der Kläger meinte, er wolle auch die Fahrtkosten erstattet haben, worauf hin ihm die Richterin erklärte, dass er auf keinen Fall Fahrtkosten erstattet bekomme. Das sei nicht üblich. Sodann eröffnete sie die Verfahren und diktierte auch kurz ins Protokoll. Sie endete mit den Worten:“ …dann wird das alles fortgesetzt, wenn Corona vorbei ist.“ Ich wies darauf hin, dass das ja nicht sein könne, da das mindestens ein Jahr dauere. Sie meinte, sie entscheide im Nachgang darüber.

Corona Verdacht

Der Kläger: „Ich möchte mich entschuldigen, dass ich etwas laut war, aber ich höre schlecht, weil ich seit zwei Tagen erkältet bin.“ Die Richterin:“ Sie sind erkältet und kommen hier her? Das ist eine Unverschämtheit. Ich glaube, der Einzige, der hier Corona hat, sind Sie! Fenster auf! Und verlassen Sie unverzüglich das Gerichtsgebäude! Die Sitzung ist geschlossen.“ Dann haben sich „die Öffentlichkeit“ und ich kurz verabschiedet und der Kläger sprach weiter auf die Richterin (im Beisein ihrer Protokollführerin) ein. Dieser mehr als skurrile Ablauf ist auch juristisch nicht ohne Pointe, da man sich fragen kann, ob überhaupt ein Gütetermin im Rechtssinne in den beiden Verfahren stattgefunden hat…

Der Gütetermin

Ein paar Wochen später fand dann der Gütetermin statt. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Der Kläger wurde von zwei Polizisten aus dem Arbeitsgericht entfernt. Er wird eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erhalten. Doch wie kam es zu diesem filmreifen Abgang:
Die Vorsitzende Richterin hatte vorausschauend aufgerüstet. Die Sitzung fand in einem großen Sitzungssaal statt anstelle des kleinen Sitzungssaales vom vorherigen Termin statt. Des Weiteren befanden sich 2 Polizisten auf dem Gang, die in die Geschäftsstelle gerufen wurden. Schließlich waren wir der einzige Termin, bei dem die Tür des Sitzungssaals offenblieb. Die Richterin meinte, das sei wegen Corona gut. Die Richterin wollte zunächst das Verfahren XXX beginnen. Nach dem Aufruf zur Sache fragte sie den Kläger, welchen Antrag er stellen wolle. Ob er eine Strafanzeige stellen wolle, dann sei er vor dem Arbeitsgericht falsch oder aber ob er sich gegen eine Abmahnung wenden wolle.
Der Kläger erklärte, die Verhandlung könne nicht beginnen, bevor er nicht einen Antrag gestellt habe. Er wolle sich auch nicht setzen; denn solange er stehe und seine Personalien nicht erfasst seien, habe die Verhandlung auch nicht begonnen.
Bevor er seinen Antrag stelle, wolle er darauf hinweisen, dass hier einiges nicht stimme. Er habe auf dem Gerichtsflur mitbekommen, dass im Anwaltszimmer eine Dame und ein Herr saßen und sich über ihn unterhalten hätten. Sie hätten seine Daten alle vorgelesen. Außerdem hätten sie erklärt, dass der Kläger ein Reichsbürger sei. Wie denn so etwas sein könne? Die Richterin erklärte, dass es sich ihrer Kenntnis entziehe. Im Übrigen, ist darauf im Augenblick auch nicht ankomme. Der Kläger möge sich doch setzen.

Ein Fall für Den Haag

Der Kläger blieb naturgemäß stehen und begann laut seine DIN A4 Seite mit seinen „Anträgen“ vorzulesen. Unter anderem erforderte er, dass die Vorsitzende Richterin einen Nachweis darüber erbringen solle, dass sie überhaupt Richterin im Sinne des Artikels 103 Grundgesetz sei. Sollte die Richterin dies nicht sein, dann sei die heutige Verhandlung ein Verbrechen. Er werde die Richterin anzeigen. Er werde sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wenden. Ferner werde er die Firma anzeigen und die Richterin auch noch einmal anzeigen. Zur Richterin meinte er mehrfach: „Sie lügen und betrügen. Sie weisen sich nicht aus. Sie sind umgehend bei der Polizei.“
 
Während des lauten Monologs des Klägers intervenierte die Richterin dazu ebenso laut, sodass beide zeitlich parallel redeten. Ich schaute wie beim Tennis interessiert von einem zum andern.
Die Richterin machte dann kurzen Prozess und nahm in das Protokoll auf, dass der Kläger nach 3-maligem Fragen erklärt habe, er stelle keinen Antrag auf Entfernung der Abmahnung und dass er darauf hingewiesen werde, dass eine Strafanzeige beim Arbeitsgericht nicht gestellt werden könne. Des Weiteren ist ins Protokoll aufgenommen worden, dass die Akte nach 6 Monaten weggelegt wird, sofern der Kläger bis dahin keinen Antrag gestellt hat, der ein arbeitsgerichtliches Verfahren rechtfertigt.
Nachdem dieses 1. Verfahren unter lautem Protest des Klägers so kurzfristig sein Ende gefunden hatte, begann das Verfahren um die Kündigung exakt genauso. Der Kläger erklärte wiederum, bevor die Verhandlung beginnen könne, stelle er erstmals einen Antrag. Dann begann er wieder die DIN A 4 Seite vorzulesen. Der Kläger erklärte auch, die Richterin habe zu viel Verständnis für die“ Beschuldigte“ gehabt. Die Richterin stünde auf der Seite der „Beschuldigten“.
Nun lief sich auch die Richterin warm. Sie diktierte wiederum das Protokoll und fragte den Kläger dreimal, welchen Antrag er in dem Verfahren stellen wolle. Sie habe ihm schließlich vorab mitgeteilt, welche Anträge denkbar sein. Der Kläger fragte daraufhin, was das denn solle. Er stehe schließlich hier. Dann müsse man ihm vorab nicht schreiben. Die Richterin äußerte wieder, dass das Verfahren geschlossen werde, wenn er jetzt keinen Antrag stelle. Daraufhin erklärte der Kläger, dass das Verfahren nicht geschlossen werden könne, weil es gar nicht wirksam eröffnet worden sei, da er immer noch stehe und seine Personalien nicht erfasst worden seien.
 
Da der Kläger in diesem 2. Verfahren noch lauter geworden war als im 1. Verfahren, diktierte die Richterin nunmehr wieder ins Protokoll, dass er auf 3-maliges Fragen nicht erklärt habe, welchen Antrag erstellen werde und schloss die Verhandlung umgehend. Dies geschah, indem sie per Lautsprecher über den Gerichtsflur ausrief, dass die Verhandlung geschlossen sei und die Vollzugsbeamten den Sitzungssaal betreten mögen.
 

Polizeieinsatz im Arbeitsgericht

Sodann erschienen eine Polizistin und ein Polizist. Sie forderten den Kläger auf, den Sitzungssaal zu verlassen. Dem kann der Kläger aber nicht nach. Stattdessen fragte er nach dem Namen des Polizisten. Dieser nannte seinen Nachnamen und seine dienstliche Funktion. Der Kläger erklärte, dass ihm dies nicht reiche. Er benötige ferner seinen Vornamen und außerdem möge er sich ausweisen. Der Beamte erwiderte, dass er erkenntlich in Dienstkleidung sei, seinen Namen und seine Position genannt habe und mehr nicht nennen müsse. Da der Kläger nun weiter diskutierte, war Corona nun kein Problem mehr. Alle 3 standen sich in einem Abstand von ca. einem halben Meter ohne Masken gegenüber.
Sodann schnappten die Polizisten den Kläger an den Oberarmen und schoben ihn aus dem Sitzungssaal…
Demnächst dann Kammertermin …. Bleiben Sie dran ????.