AGV-Rechtsnewsletter 09|2025: Unwirksame Freistellung und Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens

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19.09.2025

Eine formularmäßige Klausel, die den Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen innerhalb der Kündigungsfrist freizustellen, verstößt gegen § 307 BGB und ist unwirksam (LAG Niedersachsen, 22.05.2025 – 5 SLa 249/25 -). Das LAG entschied, dass einem Arbeitnehmer nach einseitiger Freistellung während der Kündigungsfrist und Entzug des Dienstwagens ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zusteht. Die arbeitsvertragliche Freistellungsklausel, die eine Freistellung ohne konkrete Gründe ermöglicht, wurde als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB und damit als unwirksam bewertet.

Die Klausel lautete: „Die Arbeitgeberin ist berechtigt, den Arbeitnehmer bei oder nach Ausspruch einer Kündigung – gleich von welcher Seite – unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung von der Arbeitsleistung freizustellen. Die Freistellung erfolgt bei unwiderruflicher Freistellung unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub und sodann auf etwaige Zeitguthaben, soweit dem nicht die Arbeitsunfähigkeit oder sonstige schutzwürdige Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Während der Dauer der Freistellung hat der Arbeitnehmer Tätigkeiten für und als Wettbewerber zu unterlassen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, unaufgefordert darüber Auskunft zu erteilen, ob und in welcher Hohe er einen Zwischenverdienst in der Zeit der Freistellung erzielt hat. Solcher Zwischenverdienst ist auch bei unwiderruflicher Freistellung auf Vergütungsanspruche des Arbeitnehmers anzurechnen.“

Dazu das LAG: „Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tritt dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch nur zurück, wo überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers oder jedenfalls sachliche Gründe entgegenstehen. Dabei darf sich dieser Grund nicht abstrakt, etwa auf das gekündigte Arbeitsverhältnis beziehen, sondern muss ein konkretes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers wiedergeben – wie z.B. die Besorgnis der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, befürchtete Konkurrenztätigkeit, Mitnahme von Kunden etc..  Das Transparenzgebot des § 307 II BGB fordert zusätzlich, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung genannt werden. Eine Klausel, wie die vorliegende, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung eines Arbeitnehmers berechtigt, verkehrt das Verhältnis von Regel- und Ausnahmefall, ungeachtet einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Kontrolle bei der Ausübung eines formularmäßig eingeräumten Rechts, ob die Grenzen billigem Ermessens überschritten wurden. Eine derartige Regelung ist gem. § 307 I 1, II Nr. 1 BGB unwirksam.“

Die Widerrufsklausel im Dienstwagenvertrag greift nur bei wirksamer Freistellung; da diese hier nicht vorlag, war der Entzug des Dienstwagens unberechtigt.

Der Kläger erhielt für Juli bis November 2024 jeweils 510 EUR brutto monatlich als Entschädigung zugesprochen. Die Verzinsung richtet sich nach den Grundsätzen des Schuldnerverzugs (§§ 286, 288 BGB). Pauschale oder abstrakte Arbeitgeberinteressen, wie sie hier vorgetragen wurden, rechtfertigen keine Freistellung. Die Entscheidung betont die hohe Bedeutung des Beschäftigungsanspruchs und die Notwendigkeit konkreter Freistellungsgründe.

Die Revision ist anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen 5 AZR 108/25.