Unternehmenskultur – Resilienz: Gießkanne oder Brennglas – oder beides?
Unternehmenskultur ist einer der „magischsten“ Begriffe in der Führungslehre. Er ist abstrakt und unkonkret und irgendwie ein bisschen sexy; auf alle Fälle hat die Art und Weise, wie in einem Unternehmen geführt und zusammengearbeitet wird, viel mit Kultur zu tun. Ein kleines Team bei Bosch arbeitet seit über 10 Jahren daran die Führungs- und Zusammenarbeitskultur zu verbessern. Das tut es mit verschiedenen Lernkonzepten. Auch das Thema Mindfulness gehört dazu mit dem Ziel, die wissenschaftlich nachgewiesenen, positiven Effekte nutzbar zu machen – und das ganz praktisch und handfest.
„Wir beschäftigen uns mit Mindfulness schon so lange, da war es noch nicht hip und cool“, so erklärt es mein Team immer wieder gerne. Aber wie kam es dazu: Auf der Suche nach innovativen Wegen in der Führungskräfteentwicklung sind wir darauf aufmerksam geworden. Schnell entschieden wir uns dafür ein Experiment zu wagen und zu evaluieren, ob es taugt. Long story short: Es taugte! Überzeugt hat uns von Anfang an die exzellente und überzeugende Studienlage. Unsere kritischen Ingenieure ließen und lassen sich durch wissenschaftliche und nachvollziehbare Fakten gut gewinnen.
Da wir in Salzgitter sitzen, haben wir hier am meisten ausprobiert. So auch ein Intensivprogramm für Führungskräfte, die über einen Zeitraum von 10 Wochen an dem Programm teilnahmen und sich selbstverpflichteten, jeden Tag mindestens 10 Minuten zu meditieren. Dieses Projekt wurde wissenschaftlich begleitet von der Uni Coburg, mit sehr überzeugenden Ergebnissen: Ob der bessere Umgang mit Stress (und nicht weil sich am Arbeitsumfang etwas geändert hätte), die Fähigkeit kreativer zu sein, oder die Steigerung der persönlichen Produktivität. Alles in allem kann man das als deutlich gestiegene Resilienz bezeichnen. Ein Kollege berichtete sogar, dass er zu Hause das gute Feedback bekommen hätte „ein echt besserer Typ geworden zu sein“.
Bald wurde jedoch die Frage laut, warum so etwas Interessantes nur für Führungskräfte angeboten würde, wir fühlten uns erst ertappt. Das war 2019 und der Kreis derer, die auf das Thema setzten, wurde immer größer. Wir entschieden ein Produkt zu entwickeln, das niedrigschwellig in die Breite geht, vielen das Mitmachen ermöglicht. National und international, Süden, Norden, Osten, Westen. Zentral oder dezentral, Führungskraft oder Mitarbeiter, Vertrieb oder Produktion. Egal, alle sollten dabei sein können. Das läuft jetzt seit 2019 kontinuierlich, immer wieder, mit inzwischen sicher über 2000 Teilnehmenden, von Bosch und drüber hinaus. „MindFriends“ ist unser interner Name.
Der große Erfolg hat uns beflügelt und motiviert, neue Friends-Produkte zu anderen kulturellen Schwerpunktthemen, aber gleicher Machart zu machen: Haltungsentwicklung und Nachhaltigkeit sind die „Neuen“. Alle „Friends“ sind mindfulnessbasiert, alle laufen nach gleichem Prinzip, social learning oder Peerlearning – natürlich alle toll! 😊 Das taugt für die Breite.
Gießkanne oder Brennglas – das ist der Titel, und es liegt nahe, dass es sich bei diesen Lernkonzepten um die „Gießkanne“ handelt. Es melden sich Menschen an, die Erfahrungen mit Mindfulness machen wollen, der Spaß am Lernen – und Freude daran haben, sich mit anderen auszutauschen. Es ist jedoch Zufall wer dabei ist und wer mit wem arbeitet. Mit der Gießkanne trifft man viel, aber nicht präzise.
Wir sind jedoch überzeugt, dass wir für den echten Erfolg auch Tiefe brauchen, mit Expertengruppen, die Mindfulness trainieren wollen, um in einem anderen Thema besser zu werden. Die meditieren nicht, weil sie an der Erfahrung interessiert sind, sondern sie tun es, um etwas anderes zu lernen. „Brennglas“. Das sind neben den Führungskräften unsere Kollegen, die unmittelbar an Innovationen arbeiten. Wir haben noch andere Zielgruppen im Visier, mit denen wir arbeiten möchten. Unsere Evaluationen machen uns Mut.
Bei Bosch zieht das Thema immer größere Kreise und verändert Stück um Stück die Unternehmenskultur. Menschen, die ihre Aufmerksamkeit besser steuern, die sich selbst besser regulieren können, denen geht es einfach besser. Davon profitieren alle Seiten. Wovon wir bei aller Begeisterung jedoch auch überzeugt sind, die Freiwilligkeit ist entscheidend. Geschickt ist nicht geschickt.