Syndikusrechtsanwalt Mark Hartmann wird in der 50. Folge von Arbeitsrecht am Morgen einen Überblick geben, was aus der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung folgt.
Das BAG hat am 13.09.2022 überraschend entschieden, dass Arbeitgeber aus dem Arbeits-schutzgesetz heraus verpflichtet sind, die Arbeitszeit tatsächlich zu erfassen. Bei einem unionsrechtskonformen Verständnis des § 3 Absatz 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) beinhalte diese Regelung auch die grundsätzliche Verpflichtung der Arbeitgeber,
ein System zur Erfassung der von ihren Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeiten einzuführen, das Beginn, Ende und die Dauer der Arbeitszeit einschließlich der Überstunden umfasst.
Heiß diskutiert wird in der Literatur die Frage, ob die Entscheidung des BAG eine unzulässige Rechtsfortbildung (Rechtsfortbildung contra legem) darstellt und sie insoweit evtl. grundgesetzwidrig ist (Verstoß gegen Art. 20 GG – Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden)? Das BAG sagt nein und begründet dies auch detailliert im Urteil.
Was heißt das jetzt konkret? Welche Fragen sind (zumindest zurzeit) geklärt und welche sind (noch) unklar?
Antworten darauf wollen wir am 09.02.2023 geben. So folgt aus der BAG-Entscheidung u.a.:
- Arbeitgeber müssen Zeiterfassungssysteme nicht nur zur Verfügung stellen, sondern auch nutzen.
- Eine Delegation der Zeiterfassung durch Selbstaufzeichnung der Beschäftigten bleibt weiterhin möglich.
- Es droht keine unmittelbare Bußgeldgefahr, wenn Arbeitgeber nicht sofort ein umfassendes Arbeitszeiterfassungssystem einrichten. Ein Verstoß gegen § 3 Absatz 2 Nr. 1 ArbSchG ist nicht bußgeldbewehrt. Die Verhängung einer Geldbuße bedarf -de lege lata– zunächst einer behördlichen Anweisung zur Arbeitszeiterfassung gem. § 22 Abs. 3 ArbSchG. Erst ein Verstoß gegen eine solche Anweisung könnte dann zur Sanktionierung mit Geldbußen gem. § 25 ArbSchG berechtigen.
In der Arbeitsrechtswelt besteht Einigkeit, dass es nach dieser Entscheidung dringend einer Klarstellung des Gesetzgebers durch eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes bedarf. Der Arbeitsminister hat insoweit mitgeteilt, dass sein Ministerium voraussichtlich im ersten Quartal 2023 einen praxistauglichen Vorschlag für die Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz machen wird…
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