Strenges Schriftformerfordernis bei der Inanspruchnahme der Turbo-/Sprinterklausel

Arbeitsrecht

07.12.2023

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien in einem Aufhebung- oder Abwicklungsvertrag, dass der Mitarbeiter das Recht hat, mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stellt dies ein § 12 S. 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar, dessen Ausübung jedoch dem Schriftformerfordernis des §§ 623 BGB unterfällt, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern  mit Urteil vom 9. Mai 2023, 2 SA 146 / 22.

623 BGB regelt, dass die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen. Die mündliche Kündigung oder elektronische per Mail, SMS, Fax oder WhatsApp sind ausdrücklich unwirksam.

Im konkreten Streitfall hatten sich die Arbeitsvertragsparteien nach Ausspruch einer Kündigung durch gerichtlichen Vergleich dahingehend geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung des Arbeitgebers aus Juni 2021 zum 30.11.2021 enden wird. Der Mitarbeiter wurde von der Arbeit freigestellt, wobei die Vertragsparteien für diesen Zeitraum ein verringertes Entgelt i. H. v. 1.800 € brutto vereinbarten. Der Vergleich enthielt darüber hinaus eine sogenannte Turboklausel: Der gekündigte Mitarbeiter hatte danach das Recht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig durch schriftliche Erklärung zu beenden. In diesem Fall sollte der Mitarbeiter die so entfallenden Gehälter als Abfindung erhalten. Mit Schreiben vom 20.07.2023 teilte der Anwalt des gekündigten Mitarbeiters mit, dass sein Mandant das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 31. Juli 2021 beenden werde. Dieses Schreiben übersandte er über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA). Die später verlangte Abfindung in Höhe von insgesamt 7.200 € brutto (vier x 1.800 €) zahlte der Arbeitgeber nicht.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hob das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, welches den Arbeitgeber zur Zahlung der Abfindung verurteilt hatte, auf und wies die Klage ab. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Anwalt des Klägers nicht wirksam erklärt worden sei, da sie dem strengen Schriftformerfordernis des §§ 623 BGB nicht entspreche. Auch die vorzeitige Beendigung der im Aufhebungsvertrag oder im Abwicklungsvertrag festgelegten Turboklausel habe schriftlich und mit eigenhändiger Unterschrift zu erfolgen und sei dem Arbeitgeber zuzustellen. Da dies vorliegend nur im elektronischen Verfahren erfolgt sei, sei die vorzeitige Kündigung des Mitarbeiters nicht rechtswirksam erklärt worden.