Sozialplanabfindung – mittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung

Arbeitsrecht

26.11.2020

Die Regelung in einem Sozialplan, wonach bei der Berechnung der Abfindung auf den frühestmöglichen Renteneintritt abgestellt wird, enthält eine mittelbare Ungleichbehandlung für schwerbehinderte Arbeitnehmer. Diese Benachteiligung ist nicht gerechtfertigt, wenn sie nicht durch objektive Faktoren bedingt ist, die nichts mit der Behinderung zu tun haben (BAG, 28.07.2020 – 1 AZR 590 / 18 -).

Der Kläger ist schwerbehindert. Er war seit 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung am 30.6.2017. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten hatte sich die Beklagte entschlossen, den Standort zu schließen, in dem der Kläger beschäftigt war.

Mit dem Betriebsrat wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan abgeschlossen. Für rentennahe Arbeitnehmer war eine Pauschalabfindung vorgesehen, die sich an dem Zeitraum zwischen dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Datum des „frühestmöglichen“ Renteneintritts orientierte. Da der Kläger als schwerbehinderter Mensch früher in Rente gehen kann, führte das zu einer geringeren Abfindung. Danach erhielt Kläger nur eine Abfindung i. H. v. 39.718,99 EUR. Ohne die Schwerbehinderung hätte der Kläger den Höchstbetrag von 100.000 EUR erhalten müssen. Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenz i. H. v. 60.281,01 EUR geltend gemacht.

Das BAG gab dem Kläger Recht. Schwerbehinderte Menschen können gemäß § 236 a Absatz 1 Satz 2 SGB VI zu einem früheren Zeitpunkt Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen als die nicht behinderten Arbeitnehmer. Beide Personengruppen seien jedoch in Bezug auf die durch die Betriebsschließung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation. Ihre Arbeitsverhältnisse endeten aus demselben Grund und unter denselben Voraussetzungen. Die Benachteiligung sei nicht gem. § 3 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz gerechtfertigt.

Durch das undifferenzierte Abstellen auf den „frühestmöglichen“ Wechsel in die gesetzliche Rente werde die durch dieses neutrale Kriterium bewirkte Ungleichbehandlung zum einen nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der Behinderung zu tun hätten. Zum anderen führe die Regelung zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer. Ob mit der Regelung andere Arbeitnehmer – wie vor dem 1.1.1952 geborene Frauen oder besonders langjährige Versicherte – ebenso benachteiligt seien, sei für die Frage der Benachteiligung ohne Bedeutung. Die Benachteiligung weiterer Beschäftigungsgruppen lasse die mittelbare Benachteiligung einer bestimmten Beschäftigungsgruppe – hier: schwerbehinderte Arbeitnehmer – nicht entfallen. Die unwirksame Regelung müsse daher nach oben angepasst werden.