Privates surfen am Arbeitsplatz?

Die AGV-Rechtstipps

13.09.2017

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Anfang September in einem noch nicht veröffentlichten Urteil die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz für rechtsunwirksam erklärt.

 

Was war passiert?

Ein rumänischer Ingenieur hatte seine berufliche E-Mail-Adresse auch zu privaten Zwecken genutzt, indem er mittels eines Internet-Messengers u.a. mit seinem Bruder und seiner Verlobten kommunizierte. Deswegen kündigte ihm sein Arbeitgeber und legte ein fünfundvierzigseitiges Protokoll über die vom Arbeitnehmer verfassten E-Mails aus einer Woche vor, die sowohl berufliche als auch private Nachrichten enthielten. Im privaten Bereich ging es unter anderem um die Gesundheit und das Sexualleben des Arbeitnehmers. Zuvor war im Unternehmen kommuniziert worden, dass bereits andere Angestellte aufgrund privater Internetnutzung ihre Entlassung erhalten hatten. Der rumänische Arbeitnehmer klagte gegen seine Kündigung, unterlag jedoch vor rumänischen Gerichten.

 

Was hat der EGMR entschieden?

Der EGMR hat in seinem Urteil zwar anerkannt, dass es Unternehmen möglich sein muss, die Kommunikation seiner Mitarbeiter zu überprüfen. Allerdings müssen hierzu bestimmte Voraussetzungen vorliegen, so der EGMR. So muss der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber über die Möglichkeit und das mögliche Ausmaß der Kontrolle seines E-Mail-Verkehrs vorab informiert werden. Der Umstand, dass zuvor im Unternehmen kommuniziert worden war, dass bereits andere Angestellte aufgrund privater Internetnutzung entlassen worden waren, war allem Anschein nach nicht ausreichend. Zudem ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Kontrolle durch den Arbeitgeber im konkreten Fall unter Berücksichtigung einer Abwägung zwischen dem Interesse des Unternehmens an Kontrolle seines Arbeitnehmers und dem Interesse des Arbeitnehmers an seiner Privatsphäre gerechtfertigt war. Es bedarf also jeweils eines ausreichenden Grundes, der sich in der Kontrollintensität widerspiegelt. Im vorliegenden Fall war die Überwachung derart intensiv, dass dem berechtigte Interessen des Unternehmens allem Anschein nach nicht entgegengehalten werden konnten.

Welche Bedeutung hat das Urteil für deutsches Arbeitsrecht?

Das Urteil könnte die Rechtsprechung in den 47 Mitgliedsländern des Europarats beeinflussen. Denn Arbeitnehmer sollen nach diesem Urteil auch am Arbeitsplatz das Recht auf Privatleben bzw. die Vertraulichkeit der privaten Korrespondenz haben. Eine Einschränkung dürfe nur im Rahmen der Notwendigkeit erfolgen und auch nur dann, wenn Grund zum Anlass besteht so ausführlich in die Privatsphäre eines Arbeitnehmer einzugreifen. Die Veröffentlichung des Urteils in seiner vollständigen Fassung bleibt abzuwarten. Es scheint jedoch in einer Reihe zu stehen mit dem zuletzt veröffentlichten „Keylogger“-Urteil des Bundesarbeitsgerichts, über das wir zuletzt berichteten. Man mag der zunehmenden Häufigkeit solcher Entscheidungen entnehmen, dass dem Arbeitnehmerdatenschutz auch in der gerichtlichen Praxis vermehrt Bedeutung zukommt.

 

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