Ich fahre zum Interview mit dem Braunschweiger Polizeipräsidenten, Michael Pientka – Chef über 3.000 Mitarbeiter, dem Innenministerium unterstellt. Rein vorsorglich verhalte ich mich bereits auf der Fahrt dahin besonders rechtstreu. Besser isses. Der Chef der Polizei hat gerade ein Arbeitgebersiegel erhalten. Ich bin gespannt auf „das Unternehmen Polizei“ – ob der Chef auch mal under cover im Einsatz ist, wie man eine Behörde digitalisiert u.v.m. und ich nehme Sie, liebe Leser, jetzt mal mit…
Was treibt Michael Pientka an?
Michael Pientka hat einen kräftigen Händedruck, heißt mich sehr freundlich willkommen und ist Polizist durch und durch. Er sagt von sich: „Die Leidenschaft zum Polizeiberuf treibt mich an. Egal, welche Verwendung ich bei welchen Behörden mit welchen Aufgaben hatte – ich habe immer an allen Dingen sehr viel Gefallen gehabt.“ Er ist im besten Sinne Überzeugungstäter ;-). Aber er lässt auch jedem die Freiheit, etwas Anderes aus seinem Berufsleben zu machen; denn weder seine Frau noch seine 3 Kinder sind bei der „Firma Polizei“. Wenn sein Wunsch, Polizist zu sein, nicht wahr geworden wäre, dann hätten ihn das Lehramt oder die Medizin interessiert. Aber diesen Plan B brauchte er nicht – wie er schmunzelnd anmerkt. Michael Pientka hatte seinen Einstieg 1978 und den Beruf von der Pike auf gelernt. Er absolvierte zwei Studiengänge bei der Polizei, sodass er auch für die Managementaufgaben bestens gerüstet ist. Das prädestiniert ihn zum Behördenleiter. Als Polizeipräsident ist er nicht in einem Fachkommissariat tätig, vielmehr obliegen ihm zahlreiche administrative Aufgaben wie personalrechtliche Maßnahmen. Ich will wissen, ob er bei absolutem Personalmangel schon mal under cover mit den Polizisten im Einsatz ist. Pientka lacht: „Manchmal juckt es zwar in den Fingern, aber ich bin kein Vollzugsbeamter“. Obwohl er der Chef vom Ganzen ist, dürfte er einen solchen Einsatz nicht tätigen.
Was bedeutet die demographische Entwicklung für die Polizei?
Der Sitz der Behörde ist in Braunschweig, aber Verantwortung besteht für die gesamte Region zwischen Harz und Heide. In der gesamten Region sind etwa 3.000 Mitarbeiter beschäftigt – davon ca. 2.500 Polizeivollzugsbeamte, etwa 70 Verwaltungsbeamte und über 400 Tarifbeschäftigte. Der Altersdurchschnitt im polizeilichen Vollzug liegt bei 47,5 Jahren über die gesamte Region. „Wir gehören zu einer Region, die neben Göttingen vom Altersschnitt recht hoch ist. Dementsprechend wird es bis 2024 recht viele Pensionierungen geben“, so Pientka. „In der Spitze werden es pro Jahr ca. 150 sein, danach sinkt die Anzahl auf 40 ab.“ Der Fachkräftemangel betrifft ihn aber gleichwohl nicht. Das Personal wird z.B. über einen Bachelorstudiengang rekrutiert. In den letzten Jahren lag die Bewerberzahl zwischen 5.000 und 7.000 Abiturienten und Realschüler, die den Zugang zum Studium bei der Polizei anstrebten. Derzeit finden aufgrund der demografischen Entwicklung zudem sogenannte Vorratseinstellungen statt, um den Bedarf der nächsten Jahre abzufedern. Pro Jahr werden zurzeit 1.000 Studierende benötigt. Dieser Bedarf kann aktuell gedeckt werden. Die Polizei konkurriert auf dem hiesigen Bewerbermarkt mit der Privatwirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie der Automobilindustrie.
Was zeichnet die Polizei im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft aus?
„Die Grundmotivation ist der Beruf! Die Vielseitigkeit des Berufs motiviert. Die Teamarbeit steht immer im Mittelpunkt. Die Polizei hat vielfältige Möglichkeiten, Familienangebote im Hinblick auf die Arbeitszeit zu gewähren. Für den Bereich Beruf und Familie besteht seit Jahren schon eine Zertifizierung“, so Pientka. Die Mitarbeiterbefragung habe widergespiegelt, dass die Arbeit in den Teams sehr gut sei. Für besonders belastende Einsätze bestünde eine regionale Beratungsstelle. Ein sehr gutes Gesundheitsmanagement sei vorhanden. Es gibt auch einen eigenen Polizeiseelsorger in der Region. Hinzukommen Führungskräftetrainings und systemisches Einsatztraining, in dem Polizeibeamte auf bestimmte Situationen vorbereitet werden. Unterstützung personeller Art, wie bei umfangreichen Einsätzen, kommt des Weiteren von der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen. Gerade erst wurde das Arbeitgebersiegel an die Braunschweiger Polizei verliehen. Es besteht aus einer Urkunde vom 17.08.2017 und weist die Polizei Braunschweig als Zukunftgeber und attraktiven Arbeitgeber aus. Dies in Kombination mit einer kleinen Glasskulptur. „Die Vernetzung stand bei der Urteilsfindung der Jury im Mittelpunkt. Die Auszeichnung wirkt vor allem nach innen und signalisiert, dass Themen wie Personalmanagement mit anderen Behörden geteilt werden und weiter entwickelt werden“, so Pientka nicht ohne Stolz.
Wie geht man bei der Polizei mit Fehlern um?
„Fehler beschäftigen natürlich auch die Polizei. Auch in Führungskreisen beschäftigen wir uns damit. Es können Fehler gemacht werden, aber sie sollten nicht doppelt gemacht werden! Wir sind eine lernende Organisation“, sagt Pientka. „Ich bin zu sehr Polizist beziehungsweise Polizeipräsident, dass ich nicht die Tür einfach zuschließe. Ärgernisse nehme ich auch mit nach Hause. Die Familie ist der große Anker. Ich ärgere mich, wenn Mitarbeiter nicht das direkte Gespräch suchen. Die Führungs- und Organisationskultur beruht auf Offenheit und Unmittelbarkeit im Umgang mit einander.
Wie digitalisiert man eine Behörde?
Pientka: „Das betrifft die Polizei gleich in zweierlei Hinsicht. Zum Einen sind es die Themen wie Cybercrime, bei denen man mit Konzepten, Arbeitsausstattung, Personal und Qualifizierung auf Ballhöhe bleiben muss. Das ist Teil unserer Kernaufgabe. Zum Anderen findet Digitalisierung aber auch im Unternehmen Polizei statt. So haben wir den analogen Funk auf Digitalfunk umgestellt. Die Leitstellen, bei denen der Notruf aufläuft, sind digitalisiert. Elektronische Aktenhaltung ist schon länger ein Thema. Wir haben nur noch teilweise Papierakten aus Altbeständen. In Niedersachsen gibt es schon die sogenannte „papierlose Vorgangsbearbeitung“ mit einer Schnittstelle zur Justiz. Egal, wo man sich in Niedersachsen befindet, kann man sich unter seiner Kennung einklinken und Zugang zu den Daten haben. Von der Digitalisierung ist auch die interne Kommunikation betroffen. Wir sind gerade dabei, einen Polizeimessenger einzuführen, um uns selbst mit einander zu vernetzen. Seit Jahren bestehen Intranet und Internetauftritte. Wir nutzen Twitter und Facebook. Grundlagenarbeit leisten wir hier in der Region für ein soziales Netzwerk der Polizei Niedersachsen. Ebenfalls von großer landesweiter Bedeutung ist die E-Mobilität. Es wird aktuell geprüft, wie unsere Fahrzeugflotte auf E-Mobilität umgestellt werden kann. Dazu sind wir mit der TU Braunschweig gemeinsam in dem bundesweit einzigartigen Projekt „lautlos und einsatzbereit“ unterwegs.