Die Medien bezeichnen sie als Greenfluencerin. Ihre Themen sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz, aber auch Politik nimmt einen großen Stellenwert ein. Louisa Dellert kommt aus der Region und hat mittlerweile fast eine halbe Million Follower:innen und Follower auf Instagram. Ihre eigene Entwicklung ist eng an einen Sinneswandel gekoppelt, startete sie doch als Fitness-Bloggerin und setzte im Laufe der Zeit mehr und mehr auf grüne Themen. Im Interview sprechen wir mit ihr über nachhaltiges Wirtschaften, Chancen für Unternehmen und den täglichen Wahnsinn in den sozialen Netzwerken.
In den Interviews lese ich immer wieder die gleiche Geschichte – das ist dann der klassische Einstieg – über den Wandel von der Fitness-Bloggerin zum Einsatz für mehr Nachhaltigkeit – langweilt oder nervt das nicht, immer wieder die gleiche Geschichte zu erzählen oder ist das Teil der Entwicklung, der einfach wichtig ist, um die Entwicklung zu verstehen?
Ich finde, mein Background ist schon wichtig, da es schon etwas über mich aussagt. Es ist ja ein Teil meiner Geschichte. Da es mir ursprünglich bei Instagram darum ging, dass ich einen möglichst perfekten Body habe und den präsentiere und alles andere war eher nebensächlich. Nach und nach hat bei mir ein Sinneswandel stattgefunden. Ich habe im Urlaub das verschmutze Meer gesehen und mich im ersten Moment darüber geärgert, dass es mir mein Foto ruinieren könnte. Dann habe ich das einmal für mich gespiegelt und gemerkt, wie sehr ich damit falsch liege. Daraus entstand der Wunsch mehr für diesen Planeten zu tun. Auch mein plastikfreier Shop Naturalou ist entstanden. Es gibt ja viele Menschen, die nicht wissen wer ich bin, da hilft diese Geschichte. Aber ich bin auch froh, wenn es mal um etwas anderes geht (lacht).
Mit den über 460.000 Follower:innen hat dein Instagram-Profil mittlerweile eine große Base hinter dir versammelt, belastet das auch manchmal, weil man ja auch eine gewisse Verantwortung trägt, wenn einem so viele Menschen folgen?
Natürlich, das ist nicht immer so einfach und ich versuche dem auch gerecht zu werden. Das fängt ja bei Kleinigkeiten an. Ich fahre zum Beispiel Fahrrad und trage keinen Helm. Die Hälfte meiner Follower:innen sagt mir dann, dass ich ein schlechtes Vorbild bin. Ich denke mir dann immer, ich bin ja auch nur ein Mensch und andere sprecht ihr auch nicht darauf an. Es ist mir wichtig, ein Vorbild in vielen Dingen zu sein, aber ich möchte auch ich selbst bleiben.
Nervt es manchmal so „gläsern“ von so vielen Menschen bewertet zu werden? Ich finde, man braucht ein unglaubliches Selbstbewusstsein, um dennoch bei den eigenen Standpunkten zu bleiben.
Ja, das ist nicht immer leicht. Je mehr Werte man vertritt, umso mehr wird man bewertet. Immer wieder muss ich mich damit auseinandersetzen, dass mir jemand sagt :“Ich bin nicht deiner Meinung“. Es ist ein schmaler Grad, dann nicht einfach zu denken, dass man auch nicht nach Feedback gefragt hat. Auf der anderen Seite will man natürlich den Austausch, das ist nicht immer leicht. Ich sage dann immer: ‚Wenn man auf einer Hausparty einer fremden Person gegenüber steht, was würde man der dann so erzählen, so im realen Leben. Diese Gedanken kann man dann meist auch im Internet schreiben, den Rest vielleicht einfach lassen.‘
In den letzten Jahren gab es immer wieder Aufreger und vor allem auch viel Hass, die durch Meinungen oder Postings ausgelöst wurden. Woher kommt die Kraft, dann dennoch immer wieder in den „Ring“ zu steigen, auch immer wieder die Diskussion zu führen?
Man darf das alles nicht so sehr an sich ranlassen, sonst macht es einen sicherlich kaputt. Mir gelingt das eigentlich recht gut, weil ich mich eben für Sachen einsetze, die mir wichtig sind, egal was andere davon halten. Mir macht das alles ja auch Spaß, es ist wichtig dabei ständig zu lernen und zu wachsen. Aber ja, mitunter ist es natürlich echt bitter, wie man angegangen wird. Da sind Beschimpfungen mitunter noch harmlos.
Was ist mit der Gesellschaft passiert, dass man nicht einfach andere Meinungen akzeptieren kann? Da gibt es Drohungen, Beschimpfungen, Beleidigungen gegen jemanden, der sich für die Rettung des Planeten, Gleichberechtigung oder gegen Rassismus einsetzt, was läuft da falsch? Bekommt man das wieder zurückgedreht?
Die Art und Weise der Kommunikation hat sich sicherlich völlig verschoben und es werden regelmäßig Grenzen überschritten. Auch ich werde häufig und auf das Übelste beschimpft und bedroht. Das alles kann man aus meiner Sicht auch nicht mehr rückgängig machen. Wir brauchen ein neues Konzept für die Schule, ein neues Stundenplansystem. Medienkompetenz muss einen viel größeren Platz einnehmen. Es müssten Videos im Unterricht gezeigt werden und dann muss besprochen werden, wie kann ich damit umgehen? Die Schuld sehe ich da nicht bei den Lehrer:innen, das ist Ländersache und da entscheiden leider Personen, die nicht verstehen was im Internet passiert, da fehlt ihnen jegliche Kompetenz. Ich versuche da aufzurütteln, dass dort viel mehr passieren muss.
Viele Unternehmen haben es gerade so durch die Corona-Krise geschafft. Zudem befinden sie sich durch die digitale Transformation unter Anpassungsdruck. In der Region Braunschweig-Wolfsburg gibt es für die Zulieferer noch eine größere Herausforderung, durch die Hinwendung von Volkswagen zur Elektromobilität. Jetzt sagen wir diesen Unternehmen – achtet ab jetzt bitte auch auf Nachhaltigkeit – kann das gut gehen? Laufen wir nicht Gefahr, dass wir die Wirtschaft zu sehr zu schwächen?
Dass sich etwas ändern muss, das ist für mich klar. Ich finde, das Kuscheln von Wirtschaft und Politik muss dabei endlich ein Ende haben. Ein Beispiel dafür, dass aus meiner Sicht viel zu wenig passiert, ist das Lieferkettengesetz. Da wird auf Freiwilligkeit gesetzt und das ist dann aus meiner Sicht ein Witz – Unternehmen werden nicht konsequent in die Pflicht genommen. Wenn mir dann ein großer Konzern sagt, das kostet uns alles viel zu viel, dann kann ich nur lachen und entgegnen, dass das Einhalten von Menschenrechten immer Vorrang haben muss, auch wenn man dann vielleicht ein Prozent weniger verdient. Es geht doch bei diesen Themen auch um unsere Zukunft. Ich finde, wir haben mit unserem Wohlstand eine krass große Verantwortung und jammern ist da echt fehl am Platz. Es geht ja nicht um den Mittelstand oder den regionalen Unternehmer, der für Arbeitsplätze vor Ort sorgt, aber Global Player, riesige Firmen, wie z.B. Amazon, da muss es doch möglich sein auch Sanktionen zu erlassen.
Gut, gehen wir davon aus, dass es Veränderung geben muss. Ohne eine Patentlösung liefern zu müssen, was könnten konkrete Lösungsansätze sein?
Mir geht es in erster Linie um die ganz großen Konzerne, da kuschelt die große Koalition in meinen Augen viel zu intensiv. Ich finde, es gibt Bereiche, da regelt der Markt eben nicht alles und es braucht Gebote, die dann auch eingehalten werden müssen oder es gibt Strafen. Leider habe ich das Gefühl, dass die Verbindungen von Wirtschaft und Politik an einigen Punkten so stark sind, dass eben nicht die besten Lösungen für den Bürger, sondern für das Netzwerk der Politiker getroffen werden und das geht zu Lasten von uns allen.
Das Klima-Thema wird ziemlich schnell auch eine soziale Dimension annehmen, denn der Wandel wird vermutlich Arbeitsplätze in einigen Bereichen wegfallen lassen, Produkte werden teurer werden, wenn sie vernünftig produziert werden. Wie fangen wir das als Gesellschaft auf? Vor allem weil man das Gefühl hat, dass sich jetzt schon Lager bilden, es immer mehr Polarisierung gibt?
Es ist natürlich immer etwas klischeehaft, wenn man von der Schere zwischen Arm und Reich spricht, die immer größer wird. Aber wir haben nun einmal krasse Unterschiede im Land und viele haben das Gefühl, vergessen zu werden, besonders auch im Osten von Deutschland. Ich bin ein großer Fan der Erbschaftssteuer, um Finanzmittel zu generieren, auch wenn ich dann immer als „Links-Grün“ angegangen werden. Ich denke einfach, dass diese Steuer ein guter Schritt wäre. Mit dem Geld würde ich dann Kinder aus einkommensschwächeren Familien unterstützen. Es ist immer noch erschreckend, wenn man sieht, welch große Rolle die unterschiedlichen Startmöglichkeiten spielen.
Die Corona-Pandemie hat uns einen ersten Eindruck davon gegeben, was eine globale Krise mit der Gesellschaft macht. Im Vergleich mit der Klima-Krise war das aber eher eine kleine Herausforderung. Sicherlich war dieser Stresstest nicht unbedingt eine optimale Bewerbung in Sachen Problemlösung, was kann dennoch optimistisch stimmen, dass wir die Kurve noch bekommen?
Optimistisch bin ich da nicht. Optimistisch würde es mich machen, wenn die Politik sehen würde, dass die Corona-Krise nur ein ganz kleiner Vorgeschmack darauf ist, was uns mit der Klima-Krise bevorsteht. Der überwiegende Teil der Wissenschaftler sagt, dass wir gegen die Wand fahren, aber ein kleiner Teil sagt, das klappt noch. Dieser kleine Teil bekommt dann aber den gleichen Stellenwert, obwohl er völlig unterrepräsentiert ist. Bei der Corona-Pandemie ist genau das passiert. Der Großteil der Wissenschaft hat für den Lockdown und härtere Maßnahmen plädiert und 2-3 Wissenschaftler dagegen, die hatten aber plötzlich das gleiche Gewicht in der öffentlichen Diskussion. Da läuft in meinen Augen dann etwas völlig falsch. Im Endeffekt erreichen wir so keine Veränderungen.
Dazu kommt dann das Argument, dass die Bevölkerung keine Einschränkungen will oder gewollt hätte. Dazu kann ich dann nur sagen, dass die nächste Generation es leider nicht mehr entscheiden kann. Wenn wir den Planeten noch retten wollen, dann müssen wir jetzt etwas tun. Natürlich kann ich verstehen, dass es Menschen gibt, die das nicht ohne weiteres können oder wollen, allein aus finanzieller Sicht, man muss alle Realitäten mitdenken. Dennoch wir müssen vom Reden zum Handeln kommen.
In den letzten Monaten ist auch dein politisches Engagement größer geworden, hast du das Gefühl, dass die Politik die richtigen Weichen stellt? Wie würde dein Deutschland 2040 aussehen, wenn du konkret mitbestimmen könntest?
Mir ist es wirklich ein großes Anliegen, dass die Politik diverser wird. Wir brauchen vielmehr Durchmischung im Bundestag. Wir brauchen nicht nur Menschen, die studiert haben, wir brauchen nicht nur entweder oder, wir brauchen alle Lebensrealitäten. Politik wird in Deutschland meist von älteren weißen Männern gemacht. Wenn der Bundestag diverser wäre, könnte man aus meiner Sicht auch andere Dinge bewegen. Man sieht es ja zum Glück, die Jugend ist laut, die kommenden Generationen hinterfragen vielmehr, engagieren sich, nur so kann Druck aufgebaut werden. Ich bin zuversichtlich, dass auch Fridays for Future wieder eine starke Rolle einnehmen kann.
Als Kind der Region würde mich zum Abschluss interessieren, wo dein Lieblingsort bei uns ist? Zudem würde mich interessieren, was du in der Region vermisst?
Ich vermisse ein bisschen das Landleben. Es ist so geil in der Frühe Laufen zu gehen und du triffst keinen, ich schätze das richtig. Einfach so in der Natur, frische Luft und Stille. Ich mag es total auf dem Land zu sein. Ich gehe gerne am Sonntag durch Wolfenbüttel, einfach so schlendern und entschleunigen. Das ist ein ganz anderes Leben – und eins das ab und an einfach schön ist.
Lou, vielen Dank für das ausführliche Gespräch.
Ich habe zu danken, dass ich mich hier äußern durfte
Foto: LauraHoffmann