Wie Führungskräfte mit eingetrübter Stimmung ihrer Mitarbeitenden umgehen sollten
Corona, Krieg, Klimakrise, Inflation, Lieferketten… Die Liste an Krisen und ihrer Folgewirkungen ist dieser Tage lang und ein kaltnasser Januar setzt der schlechten Stimmung vieler Menschen die Krone auf.
Den wenigsten gelingt es, ihre Stimmungslage am Unternehmenseingang abzulegen und so fragen sich immer mehr Führungskräfte: „Wie gehe ich eigentlich mit dieser schlechten Stimmung um?“ Gerade dann, wenn das Unternehmen doch eigentlich gar nichts dafür kann.
Über diese Fragen haben wir mit der Coachin und Trainerin, Stefanie Dudek, gesprochen. Sie ist mehrfach ausgebildete und zertifizierte Trainerin in den Bereichen psychischer Beratung, Burnout-Prävention, Achtsamkeit und Resilienz und berät Einzelpersonen wie Unternehmen mit ihrer Beratungsgesellschaft Gedankenschubser.
Der folgende redaktionelle Text ist auf Grundlage eines Gesprächs zwischen Stefanie Dudek und dem AGV-Hauptgeschäftsführer, Florian Bernschneider, entstanden. Sie wollen lieber ins Original-Gespräch hören, statt den Text zu lesen? Kein Problem, hier finden Sie die Sounddatei.
Für Stefanie Dudek ist die negative Stimmung dieser Tage keine Überraschung: „Unser Blick ist die letzten Jahre vor allem krisenfokussiert. Und wer nur Krise sieht, der sieht schnell nichts Positives mehr.“ Dabei will Dudek aber nicht verallgemeinern. Wie und ob globale Krisen wirklich das Gemüt erreichen, hängt auch immer von der persönlichen Verfasstheit und Resilienz ab.
Dabei sind die großen Überschriften von Corona, Krieg und Umweltkatastrophen nicht der einzige Grund, warum Führungskräfte zunehmend mit dem Gefühlsleben ihrer Mitarbeitenden konfrontiert sind. „Unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahren gelernt, offener mit Gefühlen umzugehen. Was unsere Eltern- und Großelterngeneration noch allein mit sich ausgemacht hat, wird nun offener ausgesprochen. Und das ist in erster Linie gut und gibt eine große Chance zu individueller Weiterentwicklung.“
Egal ob die negativen Gefühle aus dem großen Weltgeschehen, Privatleben oder aus dem Unternehmensalltag rühren, Dudek ist sich sicher, dass Betriebe gut daran tun, negativen Stimmungen ihrer Mitarbeiter frühzeitig zu begegnen. „Egal woher die Unzufriedenheit und schlechte Stimmung kommt, sie hat Einfluss auf die Performance des Unternehmens. Und außerhalb des Unternehmens gibt es auch kein Hilfesystem, das die Dinge schon irgendwie richtet. Selbst Menschen mit akuten psychischen Problemen warten Monate auf Behandlungstermine.“ Im besten Fall sorgen Unternehmen im ureigenen Interesse also vor, dass sich aus schlechter Stimmung gar nicht erst ernsthafte psychische Erkrankungen ergeben.
Doch wie sollten Unternehmen und Führungskräfte nun konkret vorgehen, um Stimmungen aufzuhellen und Resilienz bzw. Abwehrkräfte ihrer Mitarbeitenden aufzubauen? Dudek empfiehlt zuallererst einmal einen Raum zu schaffen, der uns von ständigen Reizen befreit. „Ein ganz wichtiger Schritt raus aus dem Hamsterrad ist es, Fokus zu finden. Ständige Unterbrechungen und Ablenkungen von eingehenden Mails, Pushnachrichten und piependen Gerätschaften sorgen für einen stetigen Stressstrom, den es vor Jahren so noch nicht gab.“
Deswegen ist Dudek auch nicht überrascht, dass der Output unserer Arbeit häufig nicht größer ist als vor einigen Jahren und wir uns dennoch deutlich gestresster fühlen als je zuvor.
Brauchen wir also mehr „Flow“ in der Arbeit, bei dem wir ganz in der Tätigkeit aufgehen? „Nicht unbedingt“, meint sie. „Wir dürfen nicht erst warten bis der Körper sich mit Warnsignalen meldet, um in Pausen zu finden.“ Stattdessen empfiehlt die Trainerin, die sich intensiv mit dem Thema Achtsamkeit auseinandersetzt, zum Beispiel Rituale in Meetings zu integrieren. Als Beispiel nennt sie die Abgabe des Handys zu Beginn der Besprechung.
Auch ein „persönlicher Wetterbericht“ zur individuellen Stimmung vor Beginn eines Meetings kann hilfreich sein. So ist es nicht nötig, das komplette private Gefühlsleben vor einem Meeting zu offenbaren und dennoch wissen die Kolleginnen und Kollegen, wer heute mit „sonnigem Gemüt“ bei der Arbeit ist und wo vielleicht „eine Gewitterfront“ mit ins Unternehmen gefahren ist.
Führungskräfte sollten dabei auch keine Sorgen haben, Themen aus Politik und Gesellschaft zur Diskussion zu stellen, die womöglich für schlechte Stimmung sorgen. Das ist laut Dudek auch und gerade in der Gruppe möglich. Eine mögliche Frage könnte lauten: „Hat jemand eine gute Idee, wie man mit der Sorge vor Krieg umgehen kann?“ Mit so einer Fragestellung sei es möglich einen lösungsorientierten Blick auf Ängste und Sorgen zu behalten und sich gegenseitig im Team mit Impulsen zu unterstützen.
Wo deutlich wird, dass sich Ängste und Sorgen so nicht ausräumen lassen, empfiehlt Dudek auch individuelle Coachings für Mitarbeitende in den Blick zu nehmen und als Unternehmen anzubieten. Wenn Unternehmen Aktionstage für den gesunden Rücken oder bessere Ernährung anbieten, sollte laut Dudek auch mentales Coaching in der Gruppe und bei Bedarf auch für einzelne Mitarbeitende in den Blick von betrieblichem Gesundheitsmanagement und guter Führung rücken.
Ansonsten, da ist sich Dudek sicher, stifte auch die Messung von Zufriedenheit keinen Sinn. „Befragungen zur Stimmung im Betrieb helfen nur, wenn man wirklich Kapazitäten hat, um die Gründe für Verschlechterungen sauber zu erfassen und dann mit konkreten Maßnahmen darauf reagieren kann.“
Verallgemeinerungen und Durchschnitte von Stimmungslagen aus Umfragen können auch gefährlich sein, weil die Verteilung und Veranlagungen in der Belegschaft sehr unterschiedlich sein können. Das wird laut Stefanie Dudek auch beim Thema Homeoffice deutlich. Manche Mitarbeitende können mit den fließenden Räumen zwischen Unternehmen und Privatleben bestens umgehen; für sie ist das Homeoffice ein großer Gewinn. Andere fühlen sich vermehrt gestresst durch fehlende Abgrenzung und ausbleibenden direkten Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen.
Wichtig sei deswegen, dass Mitarbeitende sich in ihrem Verhalten selbst zu reflektieren lernen und eigenverantwortlich zu erkennen, welches Setting dem Wohlbefinden guttut. Als Führungskraft sollte man diese Selbstreflektion durchaus fördern. Führungskräfte sollen also den Mut haben, aktiv nachzufragen: „Ich merke, Du bist heute nicht so gut drauf wie sonst. Woran liegt es? Kann ich Dich unterstützen?“
Allerdings warnt die Coachin und Trainerin auch davor, sich als Führungskraft in dieser Rolle zu überfordern. „Führungskräfte können nicht allmächtiger Problemlöser und Heilsbringer sein. Wir können die Mitarbeitenden dabei unterstützen, zu sich zu finden, aber ihnen den Weg nicht gänzlich abnehmen.“ Deswegen ist es laut Stefanie Dudek auch in Ordnung Grenzen aufzuzeigen, wenn Mitarbeitende eine überbordende Erwartungshaltung entwickeln, wie viel Sinn ihnen ihre Arbeit oder das Unternehmen bieten muss. Die Expertin lehnt damit Diskussionen um Impact und Purpose von Arbeit und in Unternehmen nicht ab, aber bestätigt, dass sich aus diesen HR-Trends keine unerreichbaren Luftschlösser auftürmen sollten.
Für alle, die sich einen kleinen Ruck zur Stimmungsaufhellung geben wollen, und als praktische Übung, mit der jede und jeder noch heute starten kann, empfiehlt die „Gedankenschubserin“ in sich hineinzuhören – allerdings nicht um noch mehr Ängste und Sorgen zu spüren, sondern mit einem klaren Filter und Fokus: „Was läuft gerade gut? Was war heute ein schöner Moment?“