GmbH-Geschäftsführer haften nicht persönlich für Mindestlohn BAG, Urteil vom 30.03.2023 – 8 AZR 120/22 –

Arbeitsrecht

21.08.2023

Amtlicher Leitsatz:

Geschäftsführer einer GmbH haften gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der GmbH nicht deshalb auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB, weil sie im Einzelfall nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG für Verstöße der GmbH gegen ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zu zahlen, bußgeldrechtlich verantwortlich sind. Der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet des § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG – kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu dem/den Geschäftsführer/n der Gesellschaft dar.

Sachverhalt

Die Parteien stritten darüber, ob die Beklagten dem Kläger zum Schadensersatz wegen unterbliebener Vergütungszahlung für den Monat Juni 2017 in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet sind. Der Kläger nimmt die Beklagten als Geschäftsführer seiner vormaligen Arbeitgeberin, einer GmbH, gesamtschuldnerisch in Anspruch.

Wegen teilweiser monatelang verspätet gezahlter Arbeitsvergütung machte der Kläger im Jahr 2017 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend. So erbrachte er im Monat Juni 2017 für die GmbH keine Arbeitsleistung. Die GmbH leistete an den Kläger für den Monat Juni 2017 keine Vergütung. Am 1. November 2017 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Schadensersatz wegen von der GmbH für den Monat Juni 2017 nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch. Er hat die Auffassung vertreten, die GmbH hätte ihm für den Monat Juni 2017 eine Vergütung mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zahlen müssen. Hierfür würden die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich haften. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 20 MiLoG sei die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns bußgeldbewehrt. Die Beklagten seien als gesetzliche Vertreter der GmbH nach § 9 OWiG taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit, sie hätten den Bußgeldtatbestand auch zumindest fahrlässig verwirklicht. Danach habe er einen „direkten Zahlungsanspruch“ gegen die Beklagten.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben den Standpunkt eingenommen, die seitens der GmbH unterlassene Zahlung der Vergütung für den Monat Juni 2017 sei ihnen nicht vorwerfbar. Jedenfalls stellten die im Mindestlohngesetz verankerten Bußgeldtatbestände keine Schutzgesetze zulasten der Geschäftsführung einer GmbH im Verhältnis zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Gesellschaft dar.

Verfahrensgang

Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG die Berufung zurückgewiesen. Auch die Revision des Klägers hatte beim BAG keinen Erfolg.

Entscheidung (neben anderen Entscheidungsgründen)

Das BAG musste nicht entscheiden, ob der Kläger für den Monat Juni 2017, in dem er unstreitig keine Arbeitsleistung für die GmbH erbrachte, aufgrund der berechtigten Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an seiner Arbeitsleistung einen Anspruch gegen die GmbH auf Vergütung wegen Annahmeverzugs erlangt hat. Denn die Beklagten haften als Geschäftsführer der GmbH dem Kläger nicht persönlich für die ggf. zu Unrecht unterbliebene Zahlung des Mindestlohns.

Die Haftung der Geschäftsführung einer GmbH ist grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Außenstehenden Dritten haftet die Geschäftsführung grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Geschäftsführung einer GmbH haftet deshalb nur dann persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben ist.

Ein solcher besonderer Haftungsgrund lag hier nicht vor. Denn der Bußgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. § 20 MiLoG stellt – ungeachtet der sich im Einzelfall ergebenden bußgeldrechtlichen Verantwortung der Geschäftsführung einer GmbH für Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns – jedenfalls kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gesellschaft, hier des Klägers, in ihrem Verhältnis zur Geschäftsführung der Gesellschaft, hier den Beklagten, i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar.