Entgelt(fort)zahlung im Quarantänefall?

Allgemein

25.10.2020

Nach wie vor stellen sich im Rahmen von Quarantänemaßnahmen Fragen danach, ob und wem gegenüber quarantänebetroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Folgenden nutzen wir die Formulierung Arbeitnehmer zu besseren Lesbarkeit) Anspruch auf Entgelt oder Entschädigung haben. Naturgemäß gibt es zu diesen Fragen zurzeit noch keine aktuellen gerichtlichen Entscheidungen, insbesondere keine gefestigte Rechtsprechung. Dennoch scheint sich zu manchen Fragestellungen eine überwiegende Rechtsmeinung herauszubilden, während die Beantwortung anderer Fragen noch in einer offenen juristischen Diskussion zu stehen scheint.
Für die nachfolgenden Ausführungen spielt es dabei keine Rolle, ob die Pflicht sich in Quarantäne (bzw. häusliche Absonderung) zu begeben, auf einer konkreten Anweisung eines Gesundheitsamtes beruht oder sich – z.B. unter bestimmten Voraussetzungen für Reiserückkehrer aus sog. Risikogebieten – auch ohne konkrete behördliche Einzelweisung aus der Niedersächsischen Corona-Verordnung unmittelbar ergibt.
Wichtig ist hingegen ist die Frage, ob die Verpflichtung des Arbeitnehmers sich in Quarantäne zu begeben, auf einem sog. „Verschulden gegen sich selbst“ beruht oder nicht. Der plakativste Fall des „Verschuldens gegen sich selbst“ dürfte der quarantäneauslösende Ferienaufenthalt in einem ausländischen Risikogebiet sein, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Einreise in das Risikogebiet wusste oder hätte wissen können, dass es sich um einen Aufenthalt in einem Risikogebiet handelt, der demzufolge eine Quarantäne nach Rückkehr nach sich zieht.
Der aktuell wohl meist formulierte Fall eines wohl fehlenden „Verschuldens gegen sich selbst“ dürfte – trotz der vielfachen Aufrufe aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft, sich unnötiger Reisen aktuell generell zu enthalten – der quarantäneauslösende Ferienaufenthalt in einem ausländischen Risikogebiet sein, wenn das ausländisches Gebiet erst während des dortigen Aufenthalts zum Risikogebiet erklärt wird.

Keine Entgelt(fort)zahlung durch die Arbeitgeberin bei „Verschulden gegen sich selbst“

Sofern und soweit eine durch ein „Verschulden gegen sich selbst“ ausgelöste Quarantäne zur Nichterbringung der eigentlich geschuldeten Arbeitsleistung führt – also in Fällen, in denen weder die Arbeitsleistung aus der Quarantäne heraus erbracht werden kann und darf, noch die Quarantänezeit (teilweise) durch bezahlten Urlaub oder bezahlte Freistellung aus einem Arbeitszeitkonto abgedeckt ist –, ist keine Entgeltfortzahlung durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber (im Folgenden: Arbeitgeberin) geschuldet.
Denn es gilt erst einmal der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Sofern dieser Grundsatz durch gesetzliche Vorschriften durchbrochen ist – z.B. durch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Entgeltfortzahlung bei Urlaub oder Entgeltfortzahlung bei kurzfristiger Verhinderung (§ 616 BGB) – kann festgestellt werden, dass keiner der vorbenannten Durchbrechungstatbestände vorliegt. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall scheitert bereits daran, dass die bloße Quarantäne keine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung darstellt (s. zur Konstellation Erkrankung und Quarantäne weiter unten). Auch ist die Quarantänezeit kein Urlaub i.S.d. Bundesurlaubsgesetzes (s. zur Konstellation Erholungsurlaub und Quarantäne weiter unten). Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB scheitert bereits am „Verschulden gegen sich selbst“, da § 616 BGB u.a. voraussetzt, dass der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist.

Keine Entschädigung durch den Staat – bei „Verschulden gegen sich selbst“

Inzwischen wird wohl allgemein angenommen, dass bei einem zur Quarantänepflicht führenden „Verschulden gegen sich selbst“ dem Arbeitnehmer auch kein Entschädigungsanspruch gegen den Staat nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zusteht. Gefolgert wird dieses aus einer Auslegung der aktuellen Regelung in § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG. Die damit wohl bereits zurzeit bestehende Rechtslage soll durch eine geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes noch verdeutlicht werden, wonach eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls nach dem IfSG ausdrücklich dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Quarantäne eine vermeidbare Reise in ein 48 Stunden vor Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet zugrunde liegt. Da der betroffenen Person jedoch kein Entschädigungsanspruch gegen den Staat zusteht, steht ihr auch kein Anspruch auf Auszahlung dieser Entschädigung gegen die Arbeitgeberin zu, weil die Arbeitgeberin insoweit lediglich Auszahlungsstelle für den Staat ist (§ 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG).

Keine Entgelt(fort)zahlung trotz Fehlens eines „Verschuldens gegen sich selbst“

Sofern und soweit die durch den Arbeitnehmer unverschuldet ausgelöste Quarantäne zur Nichterbringung der eigentlich geschuldeten Arbeitsleistung führt – also in Fällen, in denen weder die Arbeitsleistung aus der Quarantäne heraus erbracht werden kann und darf, noch die Quarantänezeit (teilweise) durch bezahlten Urlaub oder bezahlte Freistellung aus einem Arbeitszeitkonto abgedeckt werden kann –, ist dennoch keine Entgeltfortzahlung durch die Arbeitgeberin geschuldet. Denn es gilt auch hier erst einmal der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Sofern dieser Grundsatz durch gesetzliche Vorschriften durchbrochen ist – z.B. durch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Entgeltfortzahlung bei Urlaub oder Entgeltfortzahlung bei kurzfristiger Verhinderung (§ 616 BGB) – kann festgestellt werden, dass auch in Fällen mangelnden „Verschuldens gegen sich selbst“ keiner der vorbenannten Durchbrechungstatbestände vorliegt. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall scheitert auch hier daran, dass die bloße Quarantäne keine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung darstellt (s. zur Konstellation Erkrankung und Quarantäne weiter unten). Auch hier ist die Quarantänezeit kein Urlaub i.S.d. Bundesurlaubsgesetzes (s. zur Konstellation Erholungsurlaub und Quarantäne weiter unten).
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB scheitert hier zwar nicht bereits am „Verschulden gegen sich selbst“. Jedoch dürfte ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Rahmen des § 616 BGB deshalb nicht bestehen, da aufgrund der Dauer einer Quarantäne § 616 BGB bereits tatbestandlich i.d.R. nicht vorliegt („für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“), so dass es auf die ggf. nachgelagerte Frage, ob § 616 BGB arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich (zusätzlich) wirksam ausgeschlossen ist, dann nicht mehr ankommt. Zwar wird inzwischen im Rahmen der Quarantänemaßnahmen verstärkt darüber diskutiert, ab welcher Zeitdauer die „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ i.S.d. § 616 BGB überschritten ist, so dass überhaupt kein Anspruch – auch kein kurzer – nach dieser Vorschrift mehr besteht und es werden insoweit Zeiträume zwischen mehr als 5 Tagen und mehr als 6 Wochen benannt. Jedoch dürfte für die aktuelle praktische Handhabung in Niedersachsen von Bedeutung sein, dass das Niedersächsische Ministerium für Soziales Gesundheit und Gleichstellung mit Schreiben an die niedersächsischen Kommunen vom 26.08.2020 u.a. mitgeteilt hat, dass eine Verhinderung des Arbeitnehmers (nur) von bis zu 5 Arbeitstagen einen nicht erheblichen Zeitraum im Sinne des § 616 BGB darstellt.

Entschädigung durch den Staat  – bei fehlendem „Verschulden gegen sich selbst“

Nach § 56 IfSG erhält ein Arbeitnehmer, der ohne ein „Verschulden gegen sich selbst“ in Quarantäne muss und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, vom Staat eine Entschädigung in Geld; für die ersten 6 Wochen in Höhe des Verdienstausfalls, ggf. danach abgestuft weniger. Diese Entschädigung ist für die Dauer von bis zu 6 Wochen von der Arbeitgeberin für den Staat an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Arbeitnehmerin kann bei der zuständigen Behörde die Erstattung der so ausgezahlten Beträge innerhalb einer Frist von 12 Monaten beantragen. Zudem hat die zuständige Behörde auf Antrag der Arbeitgeberin einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages zu gewähren. Diese Vorschussmöglichkeit ist nicht nur eine Liquiditätshilfe. Vielmehr kann sie seitens der Arbeitgeberin auch dazu genutzt werden, sich in Fällen eines nach Grund und/oder Höhe unklaren Entschädigungsanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Staat durch eine Vorauszahlungsentscheidung der zuständigen Behörde ein wenig abzusichern.

Erkrankung während der Quarantäne – und nun?

Weitergehende Rechtsfragen ergeben sich in den Fällen, in denen beim Arbeitnehmer Zeiten der Quarantäne mit Zeiten einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung ganz oder teilweise einhergehen. In diesen Fällen muss über Ansprüche des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz nachgedacht werden.
Leider ist das Verhältnis der staatlichen Entschädigungspflicht bei Quarantäne einerseits und der Entgeltfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin bei Erkrankung des Arbeitnehmers andererseits nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Es wird deshalb teilweise die Auffassung vertreten, dass der Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Staat aus § 56 IfSG (lediglich auszahlbar durch die Arbeitgeberin) vorrangig ist gegenüber einem Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Arbeitgeberin nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ist (Subsidiarität der Entgeltfortzahlung). Da die Entschädigungspflicht nach § 56 IfSG jedoch voraussetzt, dass der Arbeitnehmer einen „Verdienstausfall“ erleidet, dürfte – so die anderslautende Auffassung – anzunehmen sein, dass, solange der Arbeitnehmer noch einen Entgeltfortzahlungsanspruch z.B. nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz hat, der Entschädigungsanspruch gemäß § 56 IfSG nicht eingreift (Subsidiarität der Entschädigung); gerichtliche Klärung ausstehend.
Auch sofern von einer Subsidiarität der Entschädigung auszugehen ist, also erst einmal eventuelle Entgeltfortzahlungsansprüche des Arbeitnehmers zu prüfen sind, ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Entgeltfortzahlungsgesetz der Grundsatz der sog. „Monokausalität“ gilt. Nach diesem Grundsatz muss die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein. Der Arbeitnehmer hat nur dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er ohne Erkrankung gearbeitet hätte und arbeiten hätte können. Wäre die Arbeit im maßgeblichen Zeitraum (auch) aus einem anderen Grund nicht geleistet worden, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Diesem Grundsatz folgend, könnten folgende Lösungen naheliegen:
Für Zeiten, in denen sich der Arbeitnehmer – auch ohne eine wie auch immer geartete und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung – ohnehin in Quarantäne begeben muss und deshalb auch „gesund“ nicht hätte arbeiten können, dürfte eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nicht geschuldet sein. Denn auch bei Hinwegdenken der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung hätte die betroffene Person wegen der Quarantäne nicht arbeiten können. Kommt also z.B. eine Person aus einem ausländischen Risikogebiet zurück und muss sich deshalb in Quarantäne begeben, dürfte eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber selbst im Fall einer Corona-Infektion zumindest so lange nicht geschuldet sein, wie die Quarantäne auch ohne die zur Arbeitsunfähigkeit führende Corona-Infektion angedauert hätte. Liegt Arbeitsunfähigkeit während Quarantänezeiten aufgrund einer anderen Erkrankung vor, gilt dieses genauso.
Ist die betroffene Person mit dem Coronavirus infiziert, ist sie – unabhängig davon ob Symptome vorliegen – arbeitsunfähig erkrankt (vgl. ErfK/Reinhard, 20. Aufl. 2020, § 3 Rn. 10). Sofern und solange „lediglich“ aufgrund der Corona-Infektion eine Quarantänepflicht besteht (also ohne Corona-Infektion keine Quarantänepflicht bestehen würde), dürfte Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber geschuldet sein; sofern man der Auffassung der Subsidiarität der Entschädigung folgt.
Im Einzelfall kann dieses wohl dazu führen, dass der Arbeitgeber für bestimmte Zeiten einer Quarantäne Entgeltfortzahlung schuldet, für andere Zeiten einer Quarantäne hingegen nicht.

Urlaub beantragt und jetzt Quarantäne – und nun?

Ein Urlaubsanspruch erlischt i.d.R. dadurch, dass er erfüllt wird. Hierzu bedarf es einer Erfüllungshandlung der Arbeitgeberin. Diese Erfüllungshandlung der Arbeitgeberin besteht z.B. schlicht darin, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer – auf entsprechenden Urlaubsantrag hin – durch entsprechende Erklärung zum Zwecke der Urlaubsgewährung bezahlt von der Arbeit freistellt, den Urlaub unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers also zeitlich festlegt. Mehr kann und muss die Arbeitgeberin nicht tun. Durch die entsprechende Erklärung (und den Verzicht auf die Arbeitsleistung im Urlaubszeitraum) tritt Erfüllung des Urlaubsanspruchs ein. So die Ausgangslage. Hiervon kennt das Gesetz nur eine Ausnahme, nämlich die zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs (§ 9 Bundesurlaubsgesetz).
Damit wird nach diesseitiger Auffassung der bereits vor der Quarantäne zeitlich festgelegte Urlaub auch während der Quarantänezeit gewährt und verbraucht, solange beim Arbeitnehmer keine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung hinzutritt. Für diese Urlaubszeiten während der Quarantäne ist dann seitens der Arbeitgeberin Urlaubsentgelt zu zahlen. Für diese Urlaubstage dürfte eine Quarantäneentschädigung des Staates dann mangels Verdienstausfalls nicht in Betracht kommen. Gerichtliche Entscheidungen auch hierzu liegen aktuell nicht vor.