Im Gespräch mit Dr. Volker Lang: "Energieeinkauf ist Chefsache geworden."

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12.12.2022

Bildrechte liegen bei BS|Energ

Die Energiekrise ist längst im Tagesgeschäft von Unternehmen angekommen. Dennoch sind viele Fragen offen. Klar scheint im Moment nur, dass gewohnte Planungssicherheiten und auch Preise so schnell nicht wiederkommen und man sich deutlich intensiver mit dem Energieeinkauf auseinandersetzen muss als je zuvor. Im Gespräch mit BS|ENERGY Vorstand, Dr. Volker Lang versuchen wir ein paar der drängendsten Fragen auf den Grund zu gehen.

 

Unser Problem ist voraussichtlich nicht dieser, sondern der kommende Winter

„20 Prozent Einsparungen!“, so lautet die Vorgabe der Politik für Gasverbräuche. Doch so ganz konnten diese Einsparziele noch nicht erreicht werden, weiß Dr. Volker Lang zu berichten.

Temperatur- bzw. wetterbereinigt kann das Braunschweiger Versorgungsunternehmen Gaseinsparungen von etwa 5 Prozent bei Gewerbe- wie auch Privatverbrauchern im bisherigen Jahr feststellen. In den letzten Wochen und Monaten waren auch zweistellige Einsparungen zu sehen, die sich womöglich fortschreiben, wenn in den Unternehmen zusätzliche Einsparvorhaben realisiert werden können. Beim Strom sind die Effekte allerdings geringer und pendeln sich unter 5 Prozent Einsparungen ein.

Obwohl die Verbräuche damit nicht den Zielwerten entsprechen, beruhigt Volker Lang: „Wenn wir keinen eisigen und langen Winter bekommen, stehen wir heute deutlich besser da, als wir es vor ein paar Monaten noch gedacht hätten. Die politischen Maßnahmen und Anstrengungen zur Stabilisierung der Versorgungssicherheit waren bisher tatsächlich erfolgreich.“

Doch auch wenn laut Dr. Lang die Wahrscheinlichkeit eines Gasnotstandes in diesem Winter deutlich gesunken ist, macht er deutlich, dass der kommende Winter das viel größere Problem sein könnte. „Für diesen Winter konnten wir die Speicher im Laufe des Jahres noch mit russischem Gas füllen. Das wird im kommenden Winter nicht der Fall sein und damit ist es extrem wichtig, dass die Anstrengungen um alternative Beschaffungen wie mit dem Ausbau der LNG-Terminals gelingen.“

 

Energieeinkauf ist Chefsache geworden

Beim Strom wie Gas sollte der Einkauf in jedem Fall zur Chefsache werden, meint Lang. Zwar verpflichtet sich BS|ENERGY für Kunden innerhalb Braunschweigs in jedem Fall Versorgungsangebote zu machen, doch sei es damit nicht getan. „An den Terminmärkten sind aktuell Lieferungen nur zu sehr hohen Preisen zu erzielen, weil die Unsicherheiten im Markt nach wie vor extrem hoch sind. Wo früher Unternehmen auf kalkulierbare Preise für das ganze Jahr setzen konnten, werden sich nun mehr und mehr Verträge am tagesaktuellen Spotpreis orientieren.“, so Lang. Das gelte vor allem für größere Abnehmer und jene Kunden, die über keinen langfristigen Energieliefervertrag verfügen.

Der Spotmarkt sei in den vergangenen Monaten zwar in der Regel günstiger gewesen als der Terminmarkt und zwischenzeitlich auch stark gefallen. Aber der Preis reagiert eben schnell und heftig, sollten sich Rahmenbedingungen erneut verschlechtern; dazu kann ein besonders kalter Winter ebenso zählen wie außen- und sicherheitspolitische Risiken.

BS|ENERGY rechnet in jedem Fall damit, dass die Preise weder kurz- noch mittelfristig auf das Vorkrisenniveau zurückgehen: „Wir werden uns dauerhaft wohl auf den vier-, fünf- oder sogar sechsfachen Preis von Energie einstellen müssen.“

 

Preisbremsen sind nicht einfach umzusetzen und sehr komplex 

Grundsätzlich begrüßt Dr. Lang die Strom- und Gaspreisbremse, weil dadurch die Kunden entlastet werden und Planungssicherheit erhalten. Allerdings sollten solche Markteingriffe aus seiner Sicht nicht von Dauer sein. Operativ gibt es zahlreiche Herausforderungen in der Umsetzung.

Allein die Berechnung und Erstattung der Soforthilfe im Dezember sei für die Versorger ein erheblicher Aufwand, doch aus Sicht der Unternehmenskunden wird es vor allem ab Januar spannend. Dann soll die zweite Stufe der Strom- und Gaspreisbremse greifen, aber zahlreiche Fragen sind im aktuelleng Gesetzgebungsverfahren noch offen.

Volker Lang empfiehlt Unternehmen, sich schon vorsorglich mit dem Antragswesen zu beschäftigen, sobald es veröffentlicht wird. Gerade die eigene Datenlage sollte man schon jetzt klären, um Verbrauchswerte, Lastprofile und Preise griffbereit zu haben.

Wichtig ist, zu klären, in welche Kategorie der Preisbremsen das Unternehmen fällt. So unterscheidet der Gesetzgeber zwischen kleinen und mittleren Gewerbeverbrauchern (< 1,5 Millionen kWh Gas bzw. < 30.000 kWh Strom p.a.) und Industriekunden. Auch kleine Unter- oder Überschreitungen sollen hier zu einer harten Gruppierung führen, was erhebliche Auswirkungen auf den Preis hat.

Maßgeblich für die Eingruppierung wird voraussichtlich der Vorjahresverbrauch sein, wobei noch unklar ist, welcher Zeitraum genau herangezogen wird; im Gespräch ist sowohl der Jahreswert 2021 als auch der Zeitraum von Oktober 2021 bis Oktober 2022.

Plant ein Unternehmen beispielsweise Kapazitätsausweitungen oder eine Umrüstung der Dienstwagenflotte auf Elektromobilität, kann es wohl für den entstehenden Mehrverbrauch nicht mit einer Entlastung rechnen, sondern nur für den bisherigen Verbrauch. Damit dürften weder Unternehmen zufrieden sein, deren Rahmenbedingungen sich in den kommenden Monaten ändern, noch jene, die das letzte Jahr beispielsweise wegen der Corona-Auswirkungen nicht als mustergültiges Referenzjahr erlebt haben.

 

Wir müssen so schnell wie möglich zu Marktmechanismen zurück

Trotz aller Unklarheiten und womöglich produzierten Ungerechtigkeiten, bricht Dr. Lang eine Lanze für die Politik: „Die Eingriffe, die hier zur Preisdämpfung vorgenommen werden, finden in einem sehr komplexen System statt und wären vor einiger Zeit undenkbar gewesen. Schnelle Einsparungen für Unternehmen zu erzielen und gleichermaßen allen Ausprägungen und Fallkonstellationen der Unternehmen gerecht zu werden, ist deswegen fast unmöglich.“

Kritisch sieht er dabei vor allem die ungewollten Effekte der Gewinnabschöpfung, die zur Gegenfinanzierung der Maßnahmen einhergeht. Es sei zwar nachvollziehbar, dass Energieerzeuger belastet werden sollen, die im Rahmen des Preisbildungsverfahrens in besonderer Weise von den hohen Preisen profitieren. Allerdings drohen die Gesetze so ausgestaltet zu werden, dass Stromerzeugungsanlagen aus dem Markt gedrängt werden, weil kein wirtschaftlicher Betrieb mehr möglich ist , obwohl diese Anlagen dringend gebraucht werden. Zusätzlich bremsen fehlende Planungssicherheit und unklare Renditeerwartungen wiederum den Ausbau von Versorgungsinfrastruktur. Ziel müsse deswegen sein, so schnell wie möglich wieder zu den normalen Marktmechanismen zurückzukehren, meint der BS|ENERGYVorstand stellvertretend für seine Branche.

 

Wir werden derzeit mit Beratungsanfragen überrannt

Dass viele Unternehmen derzeit selbst nach Wegen suchen, Energie zu erzeugen, begrüßt Dr. Lang ausdrücklich. Allerdings muss er auch um Verständnis bitten, dass die Beratung zum Anlagenausbau und auch der Anschluss durch den Netzbetreiber womöglich nicht immer so schnell erfolgen, wie die Unternehmen es sich wünschen. „Wir werden aktuell mit Beratungsanfragen überrannt und müssen deswegen teilweise um Verständnis bitten“, so Dr. Lang, dessen Mannschaft aktuell neben der Beratung zu neuen Anlagen und Umbauten auch noch viele der beschriebenen Eingriffe im Bestandsgeschäft administrieren muss.

Gerne sammelt der AGV Region Braunschweig daher weiter allgemeine Fragen und Anliegen, um sie in Formaten wie diesem zu beantworten. Senden Sie uns gerne Ihre Fragen und Anregungen zum Thema an news@agv-bs.de.