Zählt Duschen nach der Arbeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit?
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat sich mit Urteil vom 06.06.2023 -7 SA 275/22 mit der Frage befasst, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, Umkleidezeiten und das Duschen nach der Arbeit als erforderliche Arbeitszeiten zu vergüten.
In dem Prozess stritten die Arbeitsvertragsparteien über Ansprüche des Klägers auf Vergütung für Wege -, Umkleide – und Körperreinigungszeiten. Der Kläger ist seit 2008 bei der Beklagten als Kundenmechaniker in Vollzeit beschäftigt. Der Arbeitstag des Mitarbeiters beginnt damit, dass er sich in den 1. Stock in die Umkleidekabine begibt und dort seine Arbeitskleidung – bestehend aus Sicherheitsschuhen, Latzhose, T-Shirt und langärmliger Jacke – anzieht. Hiernach loggt er sich im Zeiterfassungsterminal ein und nimmt seine Arbeit auf. Nach Beendigung seiner Tätigkeit kehrt er in den Umkleideraum zurück, legt seine Dienstkleidung zur Reinigung ab und duscht sich.
Bei der Arbeit wird er in der Regel sehr schmutzig, da er Container repariert. Hierzu gehört das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung mit Pinsel und/oder Spritzpistolen.
Aufgrund einer Betriebsvereinbarung ist der Kläger bei der Erfassung seiner Arbeitszeit angewiesen, im Zeiterfassungsterminal weder die Umkleidezeit bei Arbeitsbeginn noch die Umkleide – und Reinigungszeiten nach Verrichtung seiner Arbeit zu erfassen.
Mit der Klage verlangte der Kläger eine zusätzliche Vergütung für Wege -, Umkleide – und Körperreinigung im Umfang von täglich 55 Minuten. Insgesamt begehrte der Kläger die Zahlung von 18.242,56 € brutto für die tatsächlichen Arbeitstage von Januar 2017 bis August 2020, zuzüglich Tarifzuschläge i. H. v. 25 %.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg kam zu dem Ergebnis, dass dem Kläger für die Vergangenheit Ansprüche auf Zahlung für die erforderlichen Zeiten des Weges von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück, die erforderlichen Zeiten für das Umkleiden vor der Arbeit und nach der Arbeit sowie für die erforderlichen Zeiten des Waschens nach der Arbeit zuzusprechen sind, soweit diese Ansprüche nicht aufgrund der tariflichen Ausschlussfristen verfallen waren. Eine entsprechende Vergütungspflicht für die Zukunft wurde festgestellt.
Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers sei in § 611a Abs. 2 BGB geregelt, sie knüpfe an die Leistung weisungsgebundener Arbeit an. Zur Arbeitsleistung zähle nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste sei jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses diene (BAG 25.04.2018 -5 AZR 245/17). Hierzu gehöre grundsätzlich auch das vom Arbeitgeber angeordnete Anziehen von Dienstkleidung im Betrieb.
In einem solchen Fall mache der Arbeitgeber mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Weges von der Umkleide zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Die Notwendigkeit des An – und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhe auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Damit schulde der Arbeitgeber Vergütung für die vom Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit. Hierzu gehören auch die innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz zu Beginn der Arbeit und zurück nach der Arbeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Auch die Körperreinigung nach der Arbeit sei im vorliegenden Fall vergütungspflichtige Arbeitszeit. Auch hier komme es darauf an, ob die Zeit zum Reinigen des Körpers überwiegend oder ausschließlich fremdnützlich sei und nicht nur dazu diene, dass der Arbeitnehmer sauber nach Hause komme.
Eine Fremdnützlichkeit sei zu verneinen, wenn es um Körperreinigung gehe, die üblicherweise im Privatleben dazu diene, die übliche Verunreinigung, Schweiß und Körpergeruch im Laufe eines Tages zu beseitigen. Sie sei dagegen zu bejahen, wenn es um Körperreinigung gehe, die aufgewendet werden müsse, weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgehe, das üblicherweise im Privatleben anfalle. Dies sei jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer an der überwiegenden Zahl seiner Arbeitstage auf Weisung des Arbeitgebers Arbeiten erledige, die mit einer erheblichen Verschmutzung seines Körpers einhergehen, soweit diese nicht durch Bekleidung abgedeckt sei. Selbst wenn der Körper durch langärmlige Bekleidung geschützt ist, sei vorliegend eine Verschmutzung des Schulter- und Halsbereichs sowie des gesamten Kopf- und Gesichtsbereichs durch erhebliche Schmutz- und Staubansammlungen auf Wimpern, Brauen und sonstiger Behaarung im Gesicht und am Kopf gegeben.
Es sei dem Kläger unzumutbar, so verschmutzt seine private Kleidung anzuziehen, die Arbeit zu verlassen und nach Hause zu gehen. Die Körperreinigung sei damit notwendiger Bestandteil der vom Kläger geschuldeten Arbeit und sei daher fremdnützig. Die vergütungspflichtigen Zeiten für Umkleiden, Körperreinigung und Wege betragen nach Schätzung des Gerichts 21 Minuten und zwar Umkleidezeit arbeitstäglich je 5 Minuten vor und nach der Arbeit. Duschzeit 10 Minuten sowie innerbetriebliche Wegezeit 1 Minute. Ein Zuschlag von 25 % auf den Stundenlohn kommt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg nicht zum Ansatz.
Die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig (5 AZR 212/23), da die Frage, in welchem Umfang Körperreinigungszeiten nach der Arbeit vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen können, vom Bundesarbeitsgericht bislang noch nicht entschieden worden sind.