„Aus den Gerichtssälen“

Arbeitsrecht

22.08.2023

Warum sich die Düsseldorfer Arbeitsgerichtsbarkeit mit der Frage nach einer Unterhose und einem pinken Plastikflamingo beschäftigen musste.

Auch im Rheinland scheinen Unternehmen nach einschlägigen Berichten in juristischen Medien nicht immer „Spaß“ zu verstehen. Und so trafen sich vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf und nachfolgend vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein Arbeitnehmer und das ihn beschäftigende Unternehmen, um eine gerichtliche Entscheidung über die Berechtigung einer arbeitgeberseitigen Kündigung herbeizuführen.

Die Arbeitgeberin empfand die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer als unzumutbar, nachdem dieser eine Betriebsfeier im September 2022 aus Sicht der Arbeitgeberin empfindlich gestört hatte. Muss man dabei inzwischen leider unwillkürlich an alkoholgeschwängerte Beleidigungen oder körperliche Übergriffe jeglicher Zielrichtung und Eskalationsstufe denken, ließ es dieser Arbeitnehmer dabei „bewenden“, das am Rheinufer verankerte Partyschiff zu verlassen, sich bis auf die Unterhose zu entkleiden und am Schiff entlang durch den Rhein zu schwimmen, um nachfolgend über das Deck an der versammelten Mitarbeiterschaft vorbei zum Ausgang zu laufen.

Die Arbeitgeberin empfand das als Störung des Betriebsfriedens. Zudem habe der Mitarbeiter durch sein Verhalten sich und andere – die ggf. zu seiner Rettung hätten inspiriert werden können – gefährdet. Die Stimmung auf der Betriebsfeier sei nach diesem Auftritt jäh gekippt. Deshalb kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats außerordentlich.

Der Arbeitnehmer verteidigte sich in der Sache u. a. damit, dass er lediglich Spaß hätte haben wollen. Er sei im Verkaufsbereich beschäftigt und der Region West des Unternehmens zugeordnet. Diese Region sei im Unternehmen bekannt, für Spaß zu sorgen.

Bereits das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte der Kündigungsschutzklage des offensichtlich schambefreiten Mitarbeiters stattgegeben. Und auch vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte die Arbeitgeberin wohl keine besseren Karten.

Denn das Unternehmen hatte in der Betriebsratsanhörung mitgeteilt, dass der Mitarbeiter nackt in den Rhein gesprungen sei, während er tatsächlich noch spärlich mit einer Unterhose bekleidet war. Da das Unternehmen im Prozess – anders als in der Betriebsratsanhörung, in der in erster Linie mit der potentiellen Fremd- und Selbstgefährdung argumentiert worden war – darauf abstellte, dass der Mitarbeiter den Betriebsfrieden gestört habe, kam es im Zusammenhang mit der Betriebsratsanhörung auf diese Bekleidungsfrage an. Die Betriebsratsanhörung war damit u. a. in diesem nicht unerheblichen Punkt fehlerhaft und damit die auf ihr fußende außerordentliche Kündigung unwirksam.

Da half der Arbeitgeberin auch nicht, dass der Mitarbeiter bereits zuvor auf einer anderen Betriebsfeier durch seinen „besonderen Humor“ aufgefallen war. Dort hatte er sich einen lebensgroßen pinken Deko-Flamingo von einer Bar geschnappt, diesen in einen Fotoautomaten der Party-Location verschleppt und dort ein gemeinsames Foto geschossen. Als er das Deko-Tier wieder an der Bar abgesetzt habe, sei dieses wohl etwas derangiert gewesen. Wegen dieser Aktion ermahnte die Arbeitgeberin ihren „lustigen Vogel“. Es wird zudem in manchen Veröffentlichungen der juristischen Presse berichtet, dass die Resonanz von Teilen der übrigen Belegschaft nachfolgend darin bestand, in Online-Meetings des Unternehmens ab und an pinke Flamingos ins Bild lugen zu lassen.

Da sich auch vor dem Landesarbeitsgericht eine Niederlage für das Unternehmen abzeichnete, kam es zu einem Vergleich: Das Arbeitsverhältnis wurde fortgesetzt; der Arbeitnehmer wollte weiterhin bei dem Unternehmen arbeiten.

Norddeutsch unterkühlten Arbeitsrechtsbefassten drängt sich zum Schluss natürlich folgende Frage auf: Wäre es zu dieser streitgegenständlichen Kündigung auch dann gekommen, wenn der Mitarbeiter seine Aktion bei einer Betriebsfeier während der rheinischen „Tollen Tage“ gestartet hätte? Wir werden es wohl nie erfahren. Und wer geht schon im Winter im Rhein schwimmen?