Aus den Gerichtssälen #2 Kammertermin mit einem Reichsbürger

Arbeitsrecht

26.11.2020

Sie erinnern sich noch an unsere letzte Ausgabe? Die Story mit dem Kläger, der in Frage stellte, ob die Richterin überhaupt Richterin sei und der von zwei Polizisten aus dem Saal geführt worden war? Es gab eine Fortsetzung … Ich bin mit dem Auto zum Arbeitsgericht gefahren und hatte meine Balkonpflanzen im Fahrzeug. Ich dachte noch so – wenn mir jetzt was passiert, habe ich die Blumen für die Beerdigung gleich dabei …

Der Auftakt des Kammertermins war durchaus spannend. Im Gerichtsflur vor dem Sitzungssaal befanden sich 6 Männer. 4 dieser Männer waren Polizisten in voller Montur mit Schutzwesten und Waffen. 2 weitere Männer waren Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes. Und ich war mit Akte und Handtasche unterwegs. Irgendwie waren die Vorbereitungen ungleich. Irgendjemand raunte „Fasterding“ und ich dachte, „Temptation Island VIP“ wäre jetzt eine echte Alternative.

Meine Mail an meinen Chef mit der Empfehlung, über eine Gefahrenzulage nachzudenken, blieb unbeantwortet ????.
Die Richterin war perfekt frisiert und hatte mit Absatzschuhen aufgerüstet. Sie meinte erfreut: „Oh, Sie sind aber viele.“ Die Richterin rief pünktlich um 9:30 Uhr zum Kammertermin auf. Während ich in den Sitzungssaal ohne Kontrolle gehen konnte, wurde der Kläger von den beiden Sicherheitskräften gebeten, seinen Rucksack zu öffnen. Die Tür zum Sitzungssaal blieb während dieser Zeit geöffnet. Aus dem Sitzungssaal heraus konnte ich hören, wie ein Gegenstand aus dem Rucksack des Klägers genommen wurde. Der Sicherheitsdienst fragte den Kläger, was das sei. Der Kläger antwortete, das sei ein Waschmittel. Der Sicherheitsdienst meinte, dies könne draußen bleiben. Der Kläger wies darauf hin, dass er aus Berlin gekommen sei und sich seine gebrauchte Wäsche neben dem Waschmittel in seinem Rucksack befinde. Der Sicherheitsdienst durchsuchte weiterhin sorgfältig den Rucksack. Er war wohl auch der Auffassung, dass der Kläger die gebrauchte Wäsche nicht im Gerichtssaal benötige. Schließlich fragte er, was es mit einem Gerät auf sich habe. Der Kläger entgegnete, es handele sich dabei um ein Aufnahmegerät. Er sei Musiker. Soweit hätte die Sache noch ein gutes Ende für den Kläger nehmen können. Allerdings wollte der Kläger nun wissen, warum er die Sachen nicht mit in den Gerichtssaal nehmen dürfe. Er wollte ferner wissen, wie denn sichergestellt sei, dass seinen Sachen nichts passiere. Bisschen schräg in Anbetracht des Aufgebots an Rechtsstaat vor der Tür… Eine Person entgegnete, es gäbe einen gerichtlichen Beschluss. Seine Sachen würden liegen bleiben. Sie würden nicht weggenommen. „Beschluss“ war kein gutes Stichwort.

Nun wollte der Kläger den gerichtlichen Beschluss sehen und eine Kopie für seine Unterlagen erhalten. Dazu kam es aber nicht. Daraufhin wies der Kläger die Polizisten daraufhin, dass er ein Recht darauf habe. Dies sähen Regelungen für die Polizei so vor. Nun wies der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes daraufhin, dass er kein Polizist sei, sondern dass er und sein Kollege einem Sicherheitsdienst angehören würden. „Privater Sicherheitsdienst“ war auch ein Reizwort für den Kläger.

Der Kläger äußerte, dass er einem privaten Sicherheitsdienst schon mal gar nichts zeigen müsse und dass ein solcher Dienst auch gar nicht das Recht habe, in seinen Rucksack Einblick zu nehmen. Er wollte nunmehr von allen Beteiligten bzw. von allen anwesenden Personen Name und Dienstgrad wissen. Dieses Prozedere zog sich etwas hin. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass der Kläger zum Richter mutierte. Die Richterin verließ die Richterbank und ging zum Türrahmen. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er kein Recht habe, eine Kopie von irgendeinem gerichtlichen Beschluss zu erhalten und dass er jetzt in den Sitzungssaal kommen solle, da ansonsten gegen ihn ein Versäumnisurteil erlassen werden könne. Zu diesem Zeitpunkt war es ungefähr 9:40 Uhr. Man muss dazu sagen, dass ein Versäumnisurteil erlassen werden kann, wenn eine Prozesspartei mehr als 15 Minuten zu spät kommt. Man kann sogar ein Versäumnisurteil kassieren, wenn man da ist, aber nicht verhandelt. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Kläger erwiderte, dass er erst noch die Personalien festhalten müsse – wegen der Anzeigen, die er im Nachgang erstatten werde …

Die Richterin sagte, dass er noch 10 Minuten dafür habe. Während sich die Richterin umdrehte rief sie noch 5 Minuten. Der Kläger fragte ob des Zeitverfalls in Überschallgeschwindigkeit irritiert: „Was denn nun – 10 Minuten oder 5 Minuten?“ Die Richterin antwortete: „5 Minuten.“ Nun diskutierte der Kläger im Flur weiter mit den Polizisten und den Sicherheitskräften. Nachdem er Name und Dienstgrad der Polizisten erfahren hatte, wollte er ferner deren Dienstausweise sehen. Dem schienen die Polizisten auch nachgekommen zu sein. Das war allerdings schräg. Stellen Sie sich mal vor, bei einer Demo würden die einzelnen Demonstranten von jedem Polizisten den Dienstausweis verlangen und diese würden dem nachkommen …

Nun rief die Richterin via Lautsprecher über den Gerichtsflur dröhnend aus, dass der Kläger den Sitzungssaal betreten solle, da andernfalls ein Versäumnisurteil gegen ihn ergehen könnte. Der Kläger allerdings diskutierte weiter den
angeblich notwendigen gerichtlichen Beschluss um seinen Rucksack. Mittlerweile war es 9:50 Uhr. Und da habe ich sozusagen rechts überholt und den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Ich bin dann am Kläger und allen Polizisten vorbei, habe mich bedankt und einen schönen Tag gewünscht. Die Polizei meinte zum Kläger, dass man die Sache draußen zu Ende bringen könne…

Das Versäumnisurteil ist übrigens rechtskräftig geworden. Der Kläger hat zwar innerhalb der Wochenfrist einen bitterbösen Brief ans Arbeitsgericht geschrieben, aber ausdrücklich vermerkt, dass es kein Einspruch und kein Widerspruch sein solle. Sein Anliegen sei größer …
Das Learning: Man kann einen Prozess auch mit nur einem einzigen Satz gewinnen. Und manchmal reichen Akte und Handtasche auch aus. Jedenfalls dann, wenn einem 4 Polizisten und 2 Sicherheitsbedienstete den Rücken freihalten.