Gerald Witt - gekommen um durchzustarten

Nachrichten aus der Region

19.02.2018

Gerald Witt ist nun also in Braunschweig angekommen, als Nachfolger von Harald Eitge leitet er die Arbeitsagentur Braunschweig-Goslar seit einigen Wochen. Er ist dafür den Karriere-Weg einmal quer durch die Bundesagentur für Arbeit gegangen und hat sich Stück für Stück nach oben gearbeitet. Nach der Ausbildung in Hildesheim ging es weiter über Mannheim, Schwerin, Aschaffenburg, Lauf, Helmstedt und, und, und – bis er nun am Schreibtisch in der Löwenstadt angekommen ist.

Zumindest räumlich war der Weg zum neuen Dienstort nicht wirklich weit, brachte Witt doch die letzten 7,5 Jahre in der Agentur Wolfsburg-Helmstedt zu. Sein Name stand dort für innovative, neue Formate. 2010 organisierte er zum Beispiel das Job-Speed-Dating in der Volkswagen-Arena. Sicherlich werde er sich auch für Braunschweig etwas einfallen lassen, verrät der Eitge-Nachfolger. Bei aller Begeisterung für die neue Stelle, ganz so leicht sei der Abschied nicht gefallen, besonders auf der persönlichen Ebene. „Mein Team ist in diesen Jahren Stück für Stück gewachsen und hat sich entwickelt, natürlich ist es dann auch nicht völlig leicht diese Strukturen aufzugeben.“

Dennoch steht für ihn nun eine neue Herausforderung an. Doch warum eigentlich? „Als die Entscheidung anstand, da war ich gerade an der Grenze zwischen 57 und 58 Jahren und es war eigentlich die Frage, lasse ich es jetzt ausplätschern oder starte ich noch einmal durch. Die Entscheidung war: noch einmal voll durchstarten“, sagt Witt und sprüht vor Tatendrang. Die Entscheidung für Braunschweig bringe dabei noch mehrer Serviceeinrichtungen, wie den Operativen Service für die Geldleistungen, den Internen Service, das Service-Center für die Telefonie oder Aufgaben wie die Hochschularbeit mit sich und sei nochmal eine andere Hausnummer, befindet „der Neue“. „Das ist eine schöne Abrundung. Auf die Aufgabe freue ich.“

Gerald Witt: Vielfältige Anforderungen

Stellt sich die Frage, welches Thema er sich dabei auf die Fahne geschrieben hat.
“Es sind mehrere Themenbereiche, die wir angehen wollen. Einmal müssen wir stärker präventiv tätig werden, um alle Jugendliche in Ausbildung zu bekommen. Ein Ziel ist es, die Jugend-Berufs-Agentur stärker mit Leben zu füllen und Chancen zu schaffen für die, die im ersten Anlauf keine Ausbildungsstelle gefunden haben.“ Daneben stelle sich die Frage des Fachkräftemangels, und dieser gehe einher mit der Integrationsfrage, einem weiteren zentralen Themenfeld.

„Es muss uns gelingen, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hier haben wir momentan das Problem, dass es einfach zu lange dauert, bis die Menschen in Sprachkurse kommen. Da sind viele die Arbeit möchten, aber ohne Sprache ist es kaum möglich, jemand zu beschäftigen. Zudem machen sich die kulturellen Aspekte bemerkbar. Einige sind es gewohnt zu arbeiten und dafür bezahlt zu werden und dann erst einmal nichts zu tun, bis sie eben wieder Geld benötigen. Diesen Kulturwandel hinzubekommen, das ist eine zusätzliche Herausforderung.“, so Witt.

Die Menschen abholen

Eine mögliche Lösung für den Agenturchef: „Wir müssen die Menschen bei ihren Erwerbsbiografien abholen. Jemand, der in Syrien jahrelang als Friseur gearbeitet hat, den können wir hier nicht in eine Lehre stecken, aber wir sollten dennoch seine Skills nutzen und fördern. Wir dürfen nicht bei jedem nur die Idee haben „wie bekomme ich den in Ausbildung“. Wir brauchen hier einfach mehr Individualisierung, vielleicht auch Anpassungen bei der Anerkennung, um in diesem Bereich etwas zu schaffen.“

 

Vorhersagen sind schwierig

Und die Engpässe bei den Fachkräften? „Das Thema hängt ganz eng mit den zukünftigen Entwicklungen zusammen. Schlägt die Elektrotechnik in der Automobilbranche voll durch, wieviele Mechatroniker brauchen wir dann noch? Was passiert mit den Zulieferern? Wie verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt genau? Niemand weiß es mit Sicherheit. Deshalb ist es schwierig vorherzusagen, wo konkrete Engpässe entstehen werden. Dennoch ist es natürlich richtig, dass der demografische Wandel für weniger Nachwuchs sorgt, aber wir wissen eben nicht, ob aus diesem Engpass dann künftig ein generelles Problem wird. Wir haben einfach zu viele Variablen in dieser Gleichung, um etwas konkretes zu sagen.“ Mögliche Lösungen seien die Aktivierung der Stillen Reserve, (Personen, die unter bestimmten Bedingungen bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen, sich aber bei der Arbeitsverwaltung nicht als arbeitslos melden), eine gesteuerte Zuwanderung, die Integration der Flüchtlinge oder die Chance, dass wir ältere Menschen länger in Arbeit halten können.

Natürlich müsse in diesem Zusammenhang auch das Schlagwort Digitalisierung genannt werden. „Wir müssen uns darauf einstellen und dahingehend neue Qualifizierungen anzubieten, auch für die Menschen, die bereits in Lohn und Brot sind, denn die Entwicklung wird uns alle betreffen.“ Angst vor einer Verdrängung der Menschen durch die Maschinen, wenn es um Arbeit geht, findet er dagegen unsinnig. „Es werden sich andere Chancen von Beschäftigung ergeben: Der klassische Schneider muss nicht mehr alles per Hand vermessen, aber er braucht neue Vertriebswege über das Internet. Die Anpassung an die neuen Berufsinhalte, die müssen wir als Agentur ganz eng begleiten.“

Der Mittelstand als Rückgrat

Alles Herausforderungen, die sich direkt oder indirekt auf den Mittelstand auswirken. Witt sieht ihn als das Faustpfand der Region, deshalb müsse man ihn auch pflegen. „Ohne den Mittelstand geht gar nichts, er ist das Rückgrat der Wirtschaft, auch bei uns in der Region. Natürlich sind auch die großen Firmen wichtig, aber man sollte die Rolle des Mittelstands niemals unterschätzen und muss genau auf seine Bedürfnisse achten.“ Gerade dort seien die Innovationen noch möglich, die der Region auch künftig Strahlkraft verleihen könnten. Witt spricht sich daher auch dafür aus, die Hochschulen noch enger mit dem Mittelstand zu verzahnen. „Da appelliere ich aber auch an die Unternehmen sich an Hochschulen zu wenden, vielleicht einmal eine Masterarbeit anzubieten und aktiv zu werden. “

Bleibt die Frage, wie es künftig weitergeht in der Region – mit Blick auf die Beschäftigung? „Ich gehe momentan davon aus, dass wir weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben, was die Beschäftigung angeht“, zeigt sich Witt optimistisch. Damit die positive Entwicklung Bestand hat, werde auch er sich tatkräftig einmischen. Denn Witt ist ja nach Braunschweig gekommen, um noch einmal richtig durchzustarten.