Diversity Management bei der WILHELM EWE GmbH & Co. KG
Diversity ist nicht nur ein Buzzword, sondern ein strategisches Schlüsselinstrument im Unternehmen – und ein essenzieller Faktor für die Arbeitgeberattraktivität, der die bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmenskultur umfasst.
Ein Mitgliedsunternehmen, das Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur eine Stimme gibt, sondern ein eigenes Sensibilisierungstraining zum zwischenmenschlichen Umgang bei Menschen mit Beeinträchtigungen erfolgreich entwickelt und umgesetzt hat, ist der Braunschweiger Armaturen-Hersteller WILHELM EWE GmbH & Co. KG. Das Unternehmen EWE beschäftigt zwei Mitarbeiter, die über die Lebenshilfe in die Firma kamen. Beide sind im Kreis der Mitarbeitenden angekommen und als wertvolle Teammitglieder integriert.
Sabrina Dobrunz aus dem Personalwesen von EWE hat das Sensibilisierungstraining von der ersten Stunde an begleitet und mitgestaltet. Im Interview zeigt sie auf, wie sich Unternehmen inklusiv aufstellen und ihre Diversität stärken können. Wie geht man das Thema am besten an? Welche ersten Schritte kann man ergreifen? Sie appelliert daran, Barrieren im Kopf abzubauen, Inklusion zu leben, Hürden zu überwinden und dabei auch die eigene Komfortzone zu verlassen.
Was verbirgt sich hinter dem Sensibilisierungstraining von EWE?
Sabrina Dobrunz: Über den Fachdienst Betriebliche Integration der Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH hat die Wilhelm Ewe GmbH & Co. KG im Sommer 2019 einen jungen Mann kennengelernt, der im Rahmen beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen von der Lebenshilfe betreuend gefördert worden ist. In diesem Zusammenhang stellten wir als Partnerbetrieb einen ausgelagerten Arbeitsplatz in unserer Serienfertigung zur Verfügung. Im Spätherbst 2019 bekamen wir durch einen zweiten Kooperations-Mitarbeiter weitere Unterstützung in unserem produzierenden Bereich.
Im Laufe dieser Praktika erfolgten u. a. verschiedene Arbeitstests und unsere gut 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten ihre zwei potenziellen Kollegen schätzen lernen; umgekehrt erhielten die beiden vielfältige Einblicke in ihren möglichen zukünftigen Arbeitgeber. Mitten in der Corona-Krise war es dann so weit und wir konnten beiden Herren die Unterzeichnung einjähriger Arbeitsverträge ermöglichen, die sich zwischenzeitlich zu einem unbefristeten Job bei uns und damit verbunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entwickelt haben – trotz Beeinträchtigung!
Angesichts dieser positiven und bereichernden Erfahrungswerte fiel bei uns im Haus der Entschluss das Integrationsprojekt fortzusetzen, sodass wir ab Juni eine weitere Person in Lebenshilfe-Kooperation begrüßen können.
Vorbereitet und stetig begleitet wurden und werden alle drei vom oben genannten Fachdienst Betriebliche Integration der Lebenshilfe Braunschweig, sodass dessen Mitarbeiter für uns fester Ansprechpartner geworden ist. Ferner bietet unser Unternehmen zahlreiche Benefits für unsere Belegschaft. Aus diesem Gefüge entstand bei unserem Geschäftsführer Jan-Peter Ewe die Idee eines Sensibilisierungstrainings zum zwischenmenschlichen Umgang bei Menschen mit Beeinträchtigung (ähnlich des Interkulturellen Trainings, das wir schon im Jahr 2016 im Rahmen der Geflüchtetenintegration bei uns angeboten haben).
Kaum geboren war dieser Gedanke in gewohnter offener und konstruktiver Zusammenarbeit mit dem Integrationsteam auch kurzerhand in die Tat umgesetzt, sodass dieses bereits im Mai unsere Serienfertigungsmannschaft in einen einstündigen Impulsdialog mitnahm. Für Mitte Juni sind zwei weitere Durchläufe für unsere komplette Führungskraft- und Teamleiterebene sowie alle Interessierten angesetzt.
Was würden Sie Interessierten zu dem Thema raten?
SD: Es ist wichtig, Berührungsängste abzubauen, offen für die Begegnung mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu sein und ihnen mit Respekt und Empathie zu begegnen – außerdem offen aufeinander zuzugehen, ehrliches Interesse an ihren Erfahrungen und ihren Lebensgeschichten zu zeigen und die Bereitschaft mitzubringen, von ihnen zu lernen.
Kommunikation ist der Schlüssel, um Berührungsängste abzubauen. Gehen Sie auf Firmen zu, die bereits positive Erfahrungen bei der Einstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen gemacht haben, netzwerken Sie und tauschen Sie sich aus – auch unsere Türen stehen dafür offen, kommen Sie gerne auf uns zu. Außerdem kann ich die Lebenshilfe mit dem Fachbereich „Betriebliche Integration“ unbedingt weiterempfehlen, die uns mit umfangreichem Praxis-Knowhow in vielfältiger Weise unterstützt hat.
Die Hemmschwellen bei den Themen Diversity und Inklusion sind bedauerlicherweise häufig immer noch sehr groß, oft auch aufgrund von fehlendem Wissen. Aus unserer Erfahrung können wir nur dazu ermutigen, den Schritt zu gehen, Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen einzustellen – so entsteht ein vielfältiges Team, das zu kreativeren Lösungen, innovativen Ideen und einer positiven Unternehmenskultur beiträgt.
Das war auch einer der vielen Gründe, warum wir die Charta der Vielfalt unterzeichnet und damit unsere soziale und gesellschaftliche Verantwortung weiter vorangetrieben und fest in unserer Strategie verankert haben.
Was war Ihre größte Erkenntnis im Rahmen des Sensibilisierungstrainings?
SD: Einer der Referenten des Sensibilisierungstrainings begrüßte unsere Runde mit den Worten: Jeder von uns hat ein/sein „Handicap“. Danach haben wir erst einmal in uns hineingehorcht, denn tatsächlich hat jede/r von uns seine Stärken und Schwächen. Für uns war es ein wichtiger Augenöffner, dass er dies so authentisch und offen ausgesprochen hat.
Manchmal macht man es sich selbst auch viel zu einfach und urteilt vorschnell. An der Stelle ist es unerlässlich, dem entgegenzuwirken. Denn Inklusion bedeutet, sich auf einen fortwährenden Entwicklungsprozess einzulassen. Menschen mit Beeinträchtigungen bringen eine Vielzahl von Fähigkeiten und Talenten mit sich, die für Unternehmen wertvoll sein können. Sie verfügen über einzigartige Perspektiven, Lebenserfahrungen und Problemlösungsfähigkeiten, die zu einem breiteren Spektrum an Lösungen und kreativen Ansätzen führen können. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Beeinträchtigungen können beispielsweise auch wertvolle Einblicke und Empathie bieten, um sicherzustellen, dass Produkte, Dienstleistungen und Arbeitsumgebungen für alle zugänglich und nutzbar sind.
Die Frage nach „Wem gehört hier das Problem?!“ – ist nicht selten eine Frage danach, ob ein/das Problem erst „selbst“ gemacht wird, obwohl die Lösung bzw. ein Umgang damit oftmals individuell schnell geschafft werden kann und dann sogar das Kollektiv entsprechenden Nutzen bekommt.
Warum sollte jeder Arbeitgeber entsprechende Trainings durchführen?
SD: Jeder von uns Arbeitnehmern ist ein wertvolles Puzzleteil des Ganzen – jeder mit seinen ganz eigenen Stärken und Schwächen. In der Verantwortung der Arbeitgeber liegt es meines Erachtens, das wertschätzende Miteinander aller in den Unternehmenskulturen zu verankern und „auf“-leben zulassen.
Vielen Dank für das Interview, Frau Dobrunz!
Bekennen Sie sich als Arbeitgeber schon zu Vielfalt?
Die Charta der Vielfalt ist eine Arbeitgeberinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. Sie wurde im Dezember 2006 von vier Unternehmen ins Leben gerufen und wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Dr. Susanne von Below, unterstützt.
Ziel der Initiative ist es, die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen. Organisationen sollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeitenden sollen Wertschätzung erfahren – unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität.
Für die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt fällt eine einmalige Verwaltungspauschale von 250,- € (zzgl. 19% MwSt.) an.
Hier finden Sie den Link zum Unterzeichnen der Charta der Vielfalt:
Zur Inklusion rundum gut beraten
Neues Angebot: Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber
Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber bei der Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen informieren, beraten und unterstützen – das ist das Ziel der „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA). Als zentrale Anlaufstelle bei allen Fragen rund um die berufliche Teilhabe sind die EAA in Niedersachsen an sechs Standorten vertreten, auch in Braunschweig.
Für Niedersachsens Sozial- und Arbeitsminister Dr. Andreas Philippi sind die Beratungsstellen ein wichtiger Beitrag, die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt effektiv zu stärken:
Kostenfrei und unabhängig
Aufgabe der EAA ist es, für die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen zu sensibilisieren und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in diesem Zusammenhang sowohl beratend als auch bei der Stellung von Anträgen zu unterstützen. Ob Arbeitgeber-Pflichten, Sonderkündigungsschutz oder Fördermöglichkeiten: Die EAA beraten und informieren kostenfrei und trägerübergreifend.
Als unabhängige Lotsen gehen die EAA aktiv auf Arbeitgeber zu, verweisen bei Bedarf an die zuständigen Ansprechpersonen im Förder- und Unterstützungssystem und stellen Kontakte zu den unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren her. Sie vernetzen Geschäftsführungen und Personalverantwortliche untereinander sowie mit Einrichtungen der Inklusion und Rehabilitation, etwa durch Netzwerkveranstaltungen.
Übergeordnetes Ziel ist es, die betriebliche Inklusion zu fördern und so die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen nachhaltig zu verbessern. Mechthild Ester, EAA-Projektleiterin in Niedersachsen: „Die Unternehmen gewinnen motivierte Mitarbeitende, die umgekehrt die Chance erhalten, ihre Potenziale auf dem ersten Arbeitsmarkt zu entfalten – eine Win-win-Situation.“
Träger der EAA ist das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft gGmbH (BNW), das im Auftrag des Integrationsamtes das neue Beratungsangebot gemäß §185a SGB IX in Niedersachsen flächendeckend umsetzt. Das BNW hat im Rahmen der erfolgreichen Projekte „Wirtschaft inklusiv“ und „Unternehmens-Netzwerk Inklusion“ bereits umfangreiche Erfahrungen im Bereich der beruflichen Inklusion gesammelt und knüpft an diese Arbeit an.
Arbeitgeberverbände unterstützen
Zahlreiche Arbeitgeberverbände unterstützen die Arbeit der EAA: neben regionalen Partnern wie dem AGV Region Braunschweig auch überregionale wie die Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN) oder der Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie in Norddeutschland e.V.
Ralf Düser, Leiter des Integrationsamtes: „Wir stellen ein flächendeckendes Angebot in ganz Niedersachsen sicher. Gut informierte Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind eine wichtige Voraussetzung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen. Ihre Unterstützung durch die EAA ist ein maßgebender Schritt, damit Inklusion und Teilhabe am Arbeitsleben für Schwerbehinderte noch besser gelingen kann.“
Wie die EAA unterstützen:
- Kostenfreie und unabhängige Beratung, Information und Unterstützung bei allen Fragen der beruflichen Inklusion
- Qualifiziertes Personal – fachliches und juristisches Know-how zu allen Themen der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
- Klärung von Zuständigkeiten und Vernetzung mit den Akteuren des Förder- und Unterstützungssystems
- Hilfe bei Anträgen auf Förder- und Unterstützungsleistungen
- Veranstaltungen für Geschäftsführungen und Personalverantwortliche in Präsenz oder digital
- Vernetzung mit anderen Arbeitgebern
- Unterstützung bei der Fachkräftefindung und -bindung
Kontakt zur EAA Braunschweig:
Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft gGmbH Alte Salzdahlumer Str. 202-203, 38124 Braunschweig
Hartmut Drobeck
0151 1173 6916
hartmut.drobeck@eaa-niedersachsen.de
Eva Erdmann
0151 1689 0597
Eva.erdmann@eaa-niedersachsen.de
Bernhard Mecke
0151 1741 0577
bernhard.mecke@eaa-niedersachsen.de
Näheres unter: www.eaa-niedersachsen.de