Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch einer Kündigung in der Wartezeit

Die AGV-Rechtstipps

19.04.2018

Eine Überprüfbarkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers auf ihre soziale Rechtfertigung (§ 1 KSchG) erfolgt erst nach Ablauf der Wartezeit. Also erst dann, wenn der Mitarbeiter länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt gewesen ist. Der Arbeitgeber ist aber trotzdem verpflichtet, auch bei einer Kündigung während der Wartezeit (Probezeit) den Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören.

 

Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet hinsichtlich der Frage, wie weit die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers zur Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch einer Kündigung vor Ablauf der Wartezeit geht, ob der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers auf objektiven Tatsachen beruht oder ob es sich um eine Kündigungsentscheidung handelt, die sich allein auf (subjektiven) Werturteilen beruft.

 

(1.)Beruht der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers auf objektiven Tatsachen, hat er diese bzw. die Ausgangsgrundlagen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Trotz des fehlenden Kündigungsschutzes ist der Arbeitgeber hier also verpflichtet, die konkreten Kündigungsgründe nicht nur pauschal, sondern substantiiert mitzuteilen, wenn diese seine Kündigungsabsicht ausgelöst haben.
In diesem Fall würden bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen des Arbeitgebers trotz des fehlenden Kündigungsschutzes zu einer Fehlerhaftigkeit der Anhörung des Betriebsrates und somit zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führen.

 

(2.) Beruht die Kündigungsentscheidung jedoch auf Werturteilen, muss der Arbeitgeber sein Werturteil gegenüber dem Betriebsrat weder substantiieren noch begründen. Werturteile beruhen regelmäßig auf einer Vielzahl kleinerer Beobachtungen, Vorfälle oder Verhaltensweisen und damit auf mehr oder minder fundierten objektiven Tatsachen, die der Arbeitgeber oft nicht abschließend reflektieren kann und will und die oft auch nicht objektivierbar sind. Gleichwohl vermitteln diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Arbeitgeber bzw. dem zuständigen Vorgesetzten das Gefühl, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht sinnvoll erscheint.

 

Wird danach der Kündigungsentschluss allein von subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers bestimmt, erfüllt dieser seine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat, wenn er dem Betriebsrat die aus seiner Sicht maßgebliche Motivation oder das zugrundeliegende Werturteil mitteilt:

 

Das BAG hat danach folgende Formulierungen bereits akzeptiert:
„Der Mitarbeiter hat sich während der Probezeit nicht bewährt und ist nicht geeignet, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“ (BAG 22.04.2010) oder „hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“ (BAG 18.05.1994). Ebenso wurde die Formulierung „eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse“ für ausreichend erachtet (BAG 12.09.2013, 6 AZR 121/12).

 

Mit Urteil vom 12.09.2013 ( 6 AZR 121/12).hat das Bundesarbeitsgericht folgende Formulierung im Anhörungsschreiben für ausreichend anerkannt:
„Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung. Es wurde zudem eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“

 

Von Beate Schulte-Schrepping