Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat am 05.12.2024 über den Streit entschieden, wann Teilzeitbeschäftigte Überstundenzuschläge erhalten müssen. Teilzeitbeschäftigte erhalten ab der ersten (individuellen) Überstunde einen Überstundenzuschlag. Das ist ein Problem, weil viele Tarifverträge eine Regelung enthielten und immer noch enthalten, der zufolge Überstundenzuschläge erst gezahlt werden müssen, wenn die Arbeitszeit einer Vollzeitkraft überschritten wird. Diese Regelung ist im Zweifel unwirksam. Überstundenzuschläge müssen gezahlt werden, sobald die individuelle regelmäßige Arbeitszeit überschritten wird.
Liegt das Vollzeitvolumen in einem Betrieb beispielsweise bei 38 Stunden pro Woche müssten Überstundenzuschläge erst ab der 39. Arbeitsstunde bezahlt werden. Eine Teilzeitkraft, die beispielsweise 20 Stunden pro Woche arbeiten muss, erhielte für die 21.-38. Arbeitsstunde keine Überstundenzuschläge, sondern lediglich ihrem regulären Stundenlohn. Die Teilzeitkraft würde in diesem Zeitraum genauso bezahlt wie eine Vollzeitkraft.
Der EuGH sieht darin eine unzulässige Ungleichbehandlung von Vollzeit – und Teilzeitbeschäftigten, sofern es hierfür keinen sachlichen Grund ergibt. Zwar erhalten sowohl die Teilzeit- als auch die Vollzeitkräfte einen gleichhohen Stundenlohn, jedoch sieht der EuGH für die Teilzeitbeschäftigten angesichts der in ihren Arbeitsverträgen vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eine größere Belastung, da sie zumindest für einen Teil der Arbeitsstunden, die sie über ihre individuelle regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, zwar vergütet werden, für diese aber kein Anspruch auf einen Überstundenzuschlag besteht.
Das führt rechnerisch dazu, dass eine Teilzeitkraft ein höheres Entgelt erzielen kann als eine Vollzeitkraft. Hierzu folgendes Berechnungsbeispiel: der Stundenlohn liegt bei 15 Euro, der Überstundenzuschlag bei 25% (2,25 Euro). Die Vollzeitkraft verdient bei 38 Stunden in einer Woche 570 Euro. Die Teilzeitkraft, die ebenfalls 38 Stunden arbeitet, verdient 610,50 Euro. Das liegt daran, dass die Teilzeitkraft für 18 Stunden Überstundenzuschläge in Höhe von 40,50 Euro erhält.
Die Entscheidung ist für Teilzeitkräfte erfreulich. Sie kann allerdings innerhalb des Betriebes zu Unstimmigkeiten führen, weil sich Vollzeitkräfte ungerecht behandelt fühlen. Für Arbeitgeber stellt sich deshalb die Frage, wie sie mit dieser Entscheidung umgehen sollten. Dabei soll es nicht darum gehen, Teilzeitkräfte zu benachteiligen, sondern vielmehr darum, eine gewissen Lohngerechtigkeit herzustellen.
In Frage kommen, neben der Vermeidung von Überstunden, insbesondere folgende Gestaltungsmöglichkeiten:
- Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit mit der zusätzlichen Möglichkeit einer Arbeit auf Abruf
Bei dieser Vertragsgestaltung fallen Überstunden erst bei der Überschreitung der maximal möglichen Abrufarbeit an. Allerdings ist die Vertragsgestaltung unflexibel, weil gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 TzBfG nur 25% der wöchentlichen (Mindest)Arbeitszeit zusätzlich abgerufen werden dürfen. Wird eine niedrige Mindestarbeitszeit vereinbart, reicht das maximal abrufbare Stundenvolumen möglicherweise nicht aus, um den Arbeitskräftebedarf zu decken.
- Arbeitszeitkonten
Denkbar ist auch die Einführung von Arbeitszeitkonten. Arbeitszeitkonten helfen bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer würde – unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeit – ein verstetigtes Monatseinkommen erhalten. Minus- oder Plusstunden würden dem Arbeitszeitkonto guteschrieben. Plusstunden müssten innerhalb eines festgelegten Zeitraumes durch Freizeit ausgeglichen werden. Andernfalls würden Überstundenzuschläge anfallen. Nachteil dieser Variante ist, dass im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Minusstunden häufig nicht abgebaut werden können und auch eine Verrechnung mit noch ausstehenden Gehaltszahlungen häufig daran scheitert, dass die Minusstunden nicht auf den Wunsch oder die Initiative des Arbeitnehmers zurückzuführen sind.