AGV-Rechtsnewsletter 03|2025: Annahmeverzugslohn nach Kündigung

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19.03.2025

Möchte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beenden und spricht der Arbeitgeber deshalb eine Kündigung aus, muss der Arbeitgeber mit einer Kündigungsschutzklage rechnen, wenn er sich nicht zuvor mit dem Arbeitnehmer auf eine einvernehmliche Trennung geeinigt hat. Ob die Kündigung wirksam ist oder nicht stellt das Arbeitsgericht in der Regel erst lange nach Ablauf der für das Arbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist fest. In dem aus Sicht des Arbeitgebers schlimmsten Fall hält das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Das Arbeitsverhältnis muss dann fortgesetzt werden und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als sei die Kündigung nicht ausgesprochen worden.

Wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht ausgesprochen hätte, hätte der Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und der Entscheidung des Arbeitsgerichts (insbesondere also in den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist) seine Arbeitsleistung erbracht und ein Entgelt für die Arbeitsleistung erhalten. Die Arbeitsleistung kann nicht nachgeholt werden, die Zahlung des Entgelts durch den Arbeitgeber allerdings schon. Der Arbeitgeber muss das Entgelt, das der Arbeitnehmer in dem Zeitraum zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und Entscheidung des Arbeitsgerichts hätte bedienen können, an den Arbeitnehmer zahlen, obwohl dieser keine Arbeitsleistung erbracht hat. Man nennt dieses Entgelt „Annahmeverzugslohn“. Je länger der Zeitraum zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und der Entscheidung des Arbeitsgerichts ist, desto höher ist dieser Annahmeverzugslohn und desto größer ist das Drohpotential des Arbeitnehmers. Besonders hoch ist dieses Risiko für Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung.

Für Arbeitgeber stellt sich deshalb die Frage, ob sie den Arbeitnehmer dazu zwingen können, in dem Übergangszeitraum zwischen Ende der Kündigungsfrist und Entscheidung des Arbeitsgerichts einer anderweitigen Beschäftigung nachzugehen und so einen (Zwischen)Verdienst zu erzielen.

Die widerstreitenden Interessen bzw. die Taktik der jeweiligen Seite ist dabei offensichtlich. Findet der Arbeitnehmer vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts eine neue Stelle, könnte der Arbeitgeber auf die Idee kommen, aus der streitgegenständlichen Kündigung keine Rechte mehr herleiten zu wollen. In diesem Fall hätte sich das Kündigungsschutzverfahren erledigt. Das Risiko, dass der Arbeitnehmer die neue Stelle gekündigt und zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehrte, dürfte in der Regel überschaubar sein. Die wenigsten Arbeitnehmer dürften ein gesteigertes Interesse daran haben, das belastete Arbeitsverhältnis beim alten Arbeitgeber fortzusetzen. Findet der der Arbeitnehmer vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts keine neue Stelle, bleibt dem Arbeitnehmer möglicherweise nichts anderes übrig, als zu seinem alten Arbeitgeber zurückzukehren, auch wenn dieses Arbeitsverhältnis belastet ist. In diesem Fall wird der Arbeitgeber regelmäßig bereit sein, eine (höhere) Abfindung zu zahlen, um seinen Trennung Wunsch durchzusetzen.

Bislang hatten Arbeitgeber schlechte Karten, wenn sie einwenden wollten, dass der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen habe, einen Zwischenverdienst zu erzielen. Dank des Fachkräftemangel und einer geänderten Rechtsprechung könnte sich das Blatt für Arbeitgeber wenden. Ob und wie erfolgreiche sich Arbeitgeber gegen Annahmeverzugslohnansprüche des Arbeitnehmers erwehren können, hängt auch von der Taktik des Arbeitgebers während des Kündigungsschutzprozesses ab.

Abhängig von der Tätigkeit des Arbeitnehmers, dessen Ausbildung und den Verhältnissen auf dem lokalen Arbeitsmarkt, wird die Personalabteilung in der Regel schon im Vorfeld einer Kündigung abschätzen können, wie groß die Chancen des Arbeitnehmers auf eine Anschluss Beschäftigung sind. Arbeitgeber sollten deshalb in Trennungsgesprächen den Arbeitnehmer nicht nur auf seine Pflicht hinweisen, sich rechtzeitig bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden, sondern auch auf die guten Chancen auf dem lokalen Arbeitsmarkt und die Folgen ausbleibende Bewerbungsbemühungen (kein Annahmeverzugslohn). Gegebenenfalls sollte der Arbeitnehmer darauf hingewiesen werden, dass es sich der Arbeitgeber vorbehält, dem Arbeitnehmer konkrete Stellenangebote anderer Arbeitgeber zu übersenden und sich unter Berufung auf diese Stellenangebote gegen mögliche Annahmeverzugslohnansprüche des Arbeitnehmers zur Wehr zu setzen.

Arbeitnehmer sind während der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen. Auch sollen Arbeitnehmer nicht verpflichtet sein, von vornherein aussichtslose Bewerbungsbemühungen zu entfalten. Ob der Arbeitgeber deshalb noch während der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer konkrete Stellenangebote zuschicken sollte, hängt von dem lokalen Arbeitsmarkt ab. Muss der Arbeitgeber befürchten, dass sich der Arbeitnehmer auf die während der Kündigungsfrist übersandten Stellenangebote (erfolglos) bewirbt und dann für künftige Bewerbungen (nach Ablauf der Begründungsfrist) „verbrannt“ ist, kann es taktisch klüger sein, die Stellenangebote erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zu übersenden. Je kürzer die Kündigungsfrist, desto eher kann ein Abwarten ratsam sein.

Spätestens nach Ablauf der Kündigungsfrist sollten Arbeitgeber passende Stellenangebote an den Arbeitnehmer übersenden. Bewirbt sich der Arbeitnehmer trotz guter Aussichten nicht, muss sich der Arbeitnehmer die Frage gefallen lassen, wieso er keine Anschluss Beschäftigung gefunden hat.

Hat der Arbeitgeber den Verdacht, dass sich der Arbeitnehmer lediglich pro forma auf Stellen beworben hat und dass der Arbeitnehmer die Bewerbungen so gestaltet hat, dass sie kaum Aussicht auf Erfolg hatten (Scheinbewerbung), kann der Arbeitgeber in einem Prozess auf Zahlung von Annahmeverzugslohnauskunft darüber begehren, welchen Inhalt die Bewerbungen des Arbeitnehmers hatten.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber nachweisen kann, dass die Stellenangebote dem Arbeitnehmer auch zugegangen sind. Ist kein Bote verfügbar, sollten die Stellenangebote per Einwurfeinschreiben verschickt werden.