„7 Fragen an …“ - Dr. Florian Löbermann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Braunschweig

Allgemein

03.02.2023

In unserer neuen Rubrik „Sieben Fragen an …“ starten wir mit Dr. Florian Löbermann, dem Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Braunschweig. Mit ihm sprach der AGV über Ausbildungsmarketing, den Stellenwert von Weiterbildung und Qualifizierung und darüber, warum Ausbildungserfolg viele Gesichter hat.

1. Wie gestalten sich die Herausforderungen am Ausbildungsmarkt in 2023?

Die größte Herausforderung liegt zunehmend in der Besetzung der angebotenen Ausbildungsplätze. Immer häufiger berichten Betriebe davon, dass sie massive Schwierigkeiten haben geeignete Bewerber für ihre Ausbildungsplätze zu finden. Ausbildung ist eine echte Chance für die Unternehmen, sich ihre Fachkräfte von morgen selbst auszubilden, um so dem Fachkräftemangel entschieden entgegenzutreten. Die Betriebe müssen mittlerweile viel in Ausbildungsmarketing investieren, um das Interesse von Bewerberinnen und Bewerbern zu wecken.

2. Was ist Ihr Eindruck: Wie anerkannt ist berufliche Bildung in Betrieben?

Der Handlungsdruck für die Unternehmen ist groß und akut − neben der Fach- und Arbeitskräfteproblematik haben die Herausforderungen insgesamt massiv zugenommen:  Lieferkettenproblematik, Preissteigerungen, Transformation, energiebezogene Herausforderungen uvm. In dieser Konstellation ist die Arbeitskräfteproblematik eine von vielen Herausforderungen. Ausbildung ist dabei keine Kurzfristlösung, denn der Zeithorizont bis zum Ausbildungsabschluss nimmt dabei mehrere Jahre in Anspruch. Zusätzlich erfordert Ausbildung in diesem Zeitraum auch Engagement und Bereitschaft auf beiden Seiten – Unternehmen und Auszubildende – und natürlich spielt auch die berufsbildende Schule dabei eine große Rolle. Es geht um ein entsprechend hohes Qualifikationsniveau, das eben nicht innerhalb von Wochen oder Monaten zu vermitteln ist. Gerade auch deshalb lohnt sich eine Ausbildung – und wenn sie gut funktioniert, profitieren alle Beteiligten. Dabei wird häufig die volle Bandbreite, von der Ausbildung eigener Fachkräfte über die Weiterbildung und Qualifizierung bereits vorhandenen Personals, genutzt.

3. Warum sollte ein Betrieb selbst ausbilden? Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile?

Wie eben schon gesagt spielt das Qualifikationsniveau eine Rolle. Ein Unternehmen weiß, was es erwarten kann, wenn der Auszubildende seinen Abschluss erfolgreich geschafft hat. Zusätzlich besteht die Möglichkeit den Auszubildenden schon während der Ausbildung intensiver kennenzulernen und in das Unternehmen zu integrieren – von Werten über betriebsspezifische Zusammenhänge und die Unternehmenskultur bis zu Entwicklungsthemen. Mit dem Abschluss der Ausbildung kann so eine intensive Identifikation mit dem Unternehmen einhergehen und eine nachfolgende Beschäftigung kann ohne Kennenlernen und Einarbeitung sofort gewinnbringend starten.

4.Thema Ausbildungsreife: Was könnten Gründe sein, die zum Scheitern einer Ausbildung führen?

Eine mangelnde Berufsorientierung ist oftmals der Grund, warum es mit einer Berufsausbildung nicht klappt: Allein bei den Industrie- und Handelskammern werden über 300 Ausbildungsberufe geführt. Neben diesem großen Angebot an Ausbildungsberufen fehlt es oft auch an einer flächendeckenden, sachlichen Auseinandersetzung mit den beruflichen Talenten und Perspektiven. Oftmals klafft dabei eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, viele Azubis hatten sich ihren Ausbildungsberuf anders vorgestellt. Berufsorientierungsmaßnahmen müssen daher vor allem mehr zu der Lebensrealität von Schülerinnen und Schülern passen und diese ansprechen. Für eine realistische Vorstellung können berufsbildbezogene Praktika hilfreich sein.

5. Welche Rahmenbedingungen braucht eine erfolgreiche Ausbildung?

Ausbildung ist ein beidseitiges Vorhaben zwischen Ausbildungsbetrieb und Auszubildendem, begleitet von den Berufsbildenden Schulen. Damit alle Beteiligten von der Ausbildung profitieren können, braucht es ein entsprechendes Verständnis. Zusätzlich sollten die Rahmenbedingungen stimmen: Neben den zugehörigen gesetzlichen Vorgaben (z. B. Berufsbildungsgesetz, Ausbildungsverordnung) sind auch die Ausstattung und Gegebenheiten in den Betrieben wichtig. Gut vorbereitetes, ausgebildetes und engagiertes Ausbildungspersonal (Ausbilder und Fachkräfte) sind für die Vermittlung der Ausbildungsinhalte unerlässlich. Der Auszubildende muss hingegen ebenso bereit und engagiert sein, um die Ausbildungsinhalte und betrieblichen Spezifika zu erlernen.

6. Wann ist eine betriebliche Ausbildung aus Ihrer Sicht erfolgreich?

Ausbildungserfolg hat viele Gesichter: Neben den natürlich erfolgreich abgelegten Prüfungen und der enthaltenen persönlichen Weiterentwicklung ist auch eine erfolgreiche Integration des Auszubildenden in den Betrieb ein Erfolgsfaktor. Aus betrieblicher Sicht ist mit Blick auf den aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangel aber vor allem auch die gegenseitige Entscheidung für ein Anschlussbeschäftigung als Erfolg zu werten.

7. Wie können Ausbildungsbetriebe ihr Ausbildungsmarketing verbessern, um mehr Bewerber zu finden?

Das Thema Ausbildung und auch das Thema Fachkräfte brauchen generell eine größere Anstrengung und Aufmerksamkeit auf verschiedenen Ebenen: beispielsweise ganz grundlegend als fester Bestandteil und Wert in Schulen, als entscheidender Erfolgsfaktor für den Standort Deutschland zur Sicherung der Qualität und unserer Zukunft und auch in der Art und Weise diese Aspekte zu vermitteln. In der aktuellen IHKN-Ausbildungsumfrage haben 19% der befragten Azubis angegeben, dass sie ihren Ausbildungsplatz über die Homepage des Unternehmens gefunden haben. Eine zeitgemäße Ansprache junger Menschen über die eigene Homepage kann beispielsweise ein wichtiger Aspekt sein, ebenso die Einbindung eigener Auszubildenden in Marketingmaßnahmen – von Messen bis zu Social-Media-Accounts. Letztendlich müssen auch die Erschließung und Weiterentwicklung zielgruppenadäquater Kommunikationskanäle, z. B. smartphonefähige Inhalte, mit Blick auf die duale Ausbildung und die Bedürfnisse der jüngeren Generation stärker in den Fokus rücken.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Löbermann!