Die Tricolore wird zur Nationalflagge der Republic Frankreich, Robespierre, einer der Führer der Jakobiner in der französischen Revolution wird verhaftet und einen Tag später hingerichtet, wegen Zensurproblemen kommt mit einem Jahr Verspätung die „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ von Immanuel Kant auf den Markt und unter den Krambuden in Wolfenbüttel legt Heinrich Anton Christoph Seeliger den Grundstein für das Bankhaus C. L. Seeliger. Dem Historiker ist es bereits aufgefallen, wir schreiben das Jahr 1794. Sage und schreibe 225 Jahre später gibt es das Bankhaus Seeliger immer noch. Im Gespräch mit dem AGV verraten Friedrich-Carl Heidebroek und Christoph Schmitz, die das Bankhaus als persönlich haftende Gesellschafter führen, das Erfolgsgeheimnis.
80 Mitarbeiter, 8000 Privat- und Geschäftskunden, eine Bilanzsumme von 600 Millionen Euro und jährliche Wachstumsraten, auch heute ist das Bankhaus Seeliger absolut angesagt. Woran das liegt? „Wir sind eine kleine Universal-Bank, die individuell berät. Das ist unsere Stärke. Wir haben Kunden mit 20.000 Euro im Budget, aber auch mit siebenstelligen Beträgen, dabei steht der enge Kontakt und das familiäre seit jeher im Zentrum. Das hat sich auch nicht durch den Rückzug der Familie Seeliger aus der Geschäftsführung geändert, die heute weniger als zehn Prozent am Bankhaus hält. Im Jahr 2000 starb die letzte persönlich haftende Gesellschafterin aus dem Familienkreis.
Was zum Portfolio gehört? Ganz kurz beantwortet: Finanzierungen, Vermögensmanagement und Finanzdienstleistungen. Damit ist man anders als viele andere Privatbanken eine Vollbank. Ein Schwerpunkt liegt dennoch im klassischen mittelständische Kreditgeschäft.
Aber gibt es ein Erfolgsgeheimnis, wie man ein Unternehmen durch so viele Jahre erfolgreich führt? Etwas das man lernen, übernehmen kann? „Man muss zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen fällen. Man kann nicht immer den gleichen Weg wählen. Das ging auch vor 200 Jahren nicht“, befindet Heidebroek. Es habe so viele Verwerfungen gegeben: „Verschiedene Währungen, zwei Weltkriege oder die Weltwirtschaftskrise, allein in den letzten 100 Jahren, wichtig ist, dass man als Geschäftsführung überhaupt eine klare Entscheidung trifft, ob man am Ende richtig gehandelt hat, das kann sowieso nur die Nachbetrachtung zeigen.“ Friedrich-Carl Heidebroek ist im Übrigen schon seit 1983 Teil der Bankhaus-Tradition. Er hat seine Ausbildung vor Ort gemacht. „Ich wollte eigentlich in die freie Wirtschaft, aber dann hat es mir doch so gut gefallen und ich bin hier geblieben“, sagt er heute lachend. Auch er ist stolz auf die aufwendige Jubiläums-Chronik, 260 Seiten dick und im Juni 2019 erschienen.
„Ausgangspunkt waren alte Kontor-Bücher, unter anderem noch aus den Gründungsjahren, die wurden erst einmal geordnet und zusammengestellt“, weiß Christoph Schmitz, seit 2013 Gesellschafter. Gelernt hat er beim Bankhaus Loebbecke, war lange Jahren im Firmenkundengeschäft der Nord LB tätig und wechselte einst in die Wohnungswirtschaft. Über die Spitzenposition im Firmenkunden-Geschäft der BLSK kam er schließlich nach Wolfenbüttel. „Der Kontakt zwischen mir und Friedrich-Carl Heidebroek war immer wieder da und dann hat es irgendwann gepasst.“ Gemeinsam haben Sie auch die Jubiläums-Ausgabe angeschoben.
Mehr als ein Jahr waren dann die Historikerinnen Dr. Andrea Schneider-Braunberger und Dr. Stephanie Tilly dran und haben das Werk entwickelt. „Es ist schon erstaunlich, wir haben die Kassenbücher von 1794 in den noch Taler ausgezahlt wurden, ein echter historischer Schatz“, so Heidebroek. In den mittlerweile jeder der möchte Einblick erhält. Das Buch sei dabei keine reine Aufzählung der Geschichte. Vielmehr wird heraus gestellt, wie bestimmte Menschen in der Geschichte den Weg der Bank geprägt haben. Eine Übersicht findet sich hier.
Ob es aktuelle Anlage-Tipps gebe, will ich wissen, wenn man schon einmal Experten am Tisch hat? Nein, so etwas sei gesetzlich überhaupt nicht zulässig, erfahre ich, ohne einen Rund-um-Check geht nichts. Eins gilt aber momentan: „Rendite ist immer ein Ausweis von Risiko. Aktuell ist es schon eine Leistung, sein Vermögen überhaupt zu erhalten“, sagt Schmitz. Ansonsten brauche es immer ein individuelles Screening des Kunden. Wer die Inflation schlagen könne, der leiste aktuell schon viel. „Das haben wir alle nicht gelernt, dass es Minuszinsen gibt, aber wir sind genau die Bank, die natürlich auch dort Lösungen findet und dennoch weiter gewachsen ist“, so Schmitz weiter.
Banken seien sehr IT-lastig, ergänzt er, als ich nach den kommenden Herausforderungen frage. Digitalisierung sei ein weites Feld auf dem man mitziehen müsse. Aber Schmitz stellt klar: „Wir müssen dennoch die individuelle Beratung weiter hoch halten. In so einem kleinen Haus wie bei uns, da hat man in 70 Prozent seiner Zeit mit den Kunden zu tun, das ist etwas was mir persönlich Spaß macht und so wird es auch bleiben.“ Bei der Digitalisierung laufe man als kleineres Haus nicht vorne weg, aber man gehe schon mit den Trends. Die vier Ausbildungsplätze zu besetzen, sei in den letzen Jahren schwerer geworden, auch hier merke man den Kampf um die Talente. Bisher konnte immer noch passender Nachwuchs gefunden werden. Es ist eben nicht unbedingt von Nachteil, einen solch renommierten Namen zu tragen.
Abschließend steht die Frage nach einem Jubiläums-Geschenk – was würden sich die beiden Gesellschafter für ihre Region wünschen? „Die Region kann sich noch richtig weit entwicklen, das ist mir alles viel zu weit auseinander, alles ist sehr getrennt. Die gemeinsame Vermarktung stockt weiterhin, wir werden nicht zusammen wahrgenommen. Wir haben den Harz, wir haben die Heide, wir haben tolle Städte mit Wolfsburg, Braunschweig, Wolfenbüttel, da könnte viel mehr passieren“, bemerkt Heidebroek.
„Ein gemeinsames Konzept, das wäre wirklich ein Traum, aber ansonsten ist es schon toll, wie sich die Region in den letzen 15 Jahren entwickelt hat, ich denke aber auch es wäre aber noch mehr drin“, befindet Schmitz.
Vielleicht sollte man auf die beiden Herren hören, 225 Jahre erfolgreiche Firmengeschichte sprechen von einer gewissen Weitsicht, die es nicht zu unterschätzen gilt… Vielleicht nach dem Motto: „Alles mit Bedacht“ – der Wahlspruch des Herzogs August von Wolfenbüttel, steht sicher nicht ohne Grund im Portal des Bankhauses C. L. Seeliger.