Überwachung mittels Keylogger - was gilt?

Die AGV-Rechtstipps

15.08.2017

Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach § 32 Abs. 1 BDSG unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.

 

Was genau war passiert?

So das BAG in einem Urteil vom vom 27.07.2017 (Az.: 2 AZR 681/16), zu dem bisher jedoch lediglich eine Pressemitteilung vorliegt. Der Arbeitnehmer war bei der Beklagten als „Web-Entwickler“ beschäftigt. Die Nutzung dienstlicher Hard- und Software zu privaten Zwecken war verboten. Zudem teilte die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern mit, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Sie teilte ihren Arbeitnehmern jedoch nicht mit, dass sie auf den Dienst-PCs der Arbeitnehmer eine Software installierte, die sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte. Durch die Protokollierung jeder Tastatureingabe konnten auch Daten wie z. B. Benutzername und Passwörter für geschützte Bereiche, PINs pp. erfasst und protokolliert werden.

 

Privat am PC unterwegs

Die Arbeitgeberin stellte im weiteren Verlauf fest, dass der Arbeitnehmer in erheblichem zeitlichen Umfang während seiner Arbeitszeit private Angelegenheiten am Dienst-PC erledigt hatte und kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Hiergegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Der von der Arbeitgeberin gegenüber dem Arbeitnehmer erhobene Vorwurf war nach Auffassung der Arbeitsgerichte an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer, der während seiner Arbeitszeit am Dienst – PC private Angelegenheiten erledigt, verletzt grundsätzlich seine (Hauptleistungs-) Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die Pflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer durch die Erledigung privater Angelegenheiten seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt. Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit den Dienst – PC in erheblichem zeitlichen Umfang für private Angelegenheiten, kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Er muss vielmehr damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht.
Da die genauen privaten Nutzungszeiten nach Dauer und Lage zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer hier jedoch im Streit standen, stellte sich in dem arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren die Frage nach der prozessualen Beweisverwertung der mittels Keylogger erhobenen Daten

 

Im Verfahren nicht verwertbar

Das BAG hat, wie die Vorinstanzen, entschieden, dass die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Arbeitnehmers im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden dürfen. Die Arbeitgeberin hat durch dessen Einsatz das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die Informationsgewinnung war nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig. Die Arbeitgeberin hatte beim Einsatz der Software gegenüber dem Kläger keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung. Die von ihr „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme war daher unverhältnismäßig.
Bestand tatsächlich der Verdacht, dass der Kläger während seiner Arbeitszeit unter Nutzung des ihm überlassenen Dienst-PCs unerlaubt außerdienstlichen Aktivitäten nachgegangen war, hätte die Beklagte – ggf. ohne Vorankündigung, aber offen und im Beisein des Klägers – die auf dem PC vorhandenen Daten, wie z.B. den gespeicherten Internetverlauf und die E-Mail-Accounts auswerten können. Eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Überprüfung des PCs ist gegenüber einer heimlichen und permanenten Überwachung durch Protokollierung und Auswertung sämtlicher Tastatureingaben das mildere Mittel. Die Kontrolle in seinem Beisein gibt dem Arbeitnehmer nicht nur die Möglichkeit, auf die Art und Weise ihrer Durchführung Einfluss zu nehmen. Er kann sie unter Umständen – etwa durch freiwillige Angaben zu seinen außerdienstlichen Aktivitäten – sogar ganz abwenden; so das LAG Hamm in der vorangegangenen zweitinstanzlichen Entscheidung.

 

Riegel vorgeschoben

Es kann nicht überraschen, dass die Rechtsprechung hier durch alle Instanzen einer verdeckten und letztlich anlasslosen „Totalüberwachung“ der PC-Tätigkeit eines Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin einen Riegel vorgeschoben hat; trotz bestehendem Privatnutzungsverbot.Im vorliegenden Fall hat dies dazu geführt, dass die Arbeitgeberin das Kündigungsschutzverfahren verloren hat. Zu bedenken ist in solchen Fällen zudem, dass sich aus der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen die Arbeitgeberin ergeben können.

 

Text: Martin Peßara