Konflikt mit Amazon - plötzlich war das Konto gesperrt

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02.02.2022

Ohne Vorwarnung wurde im vergangenen Sommer das Amazon-Händlerkonto von dermaroller und damit auch von Geschäftsführer Michael Tomerius gesperrt. Die Umsätze einfach eingefroren. Seine Produkte auf dem Amazon-Marketplace waren nicht mehr auffindbar für seine Kunden. Damit begann die Auseinandersetzung mit dem Internet-Riesen, die der Wolfenbüttler erst einmal für sich entschied. Amazon zog mit einer Verfassungsbeschwerde vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Lesen Sie, wie der Fall sich Michael Tomerius und sein Unternehmen darstellt.

 

Herr Tomerius, Sie vertreiben Ihre Produkte seit mehr als 20 Jahren, auch international sind Sie stark vertreten. Ein echter Hidden Champion aus Wolfenbüttel. Holen Sie unsere Leser einmal ab, was macht Dermaroller und wie kamen Sie zu dieser Unternehmung?

 

Ich komme gebürtig aus Wolfenbüttel. Internationale Erfahrungen habe ich in einem amerikanischen Unternehmen für Medizintechnik sammeln können. Hier entstand auch meine Idee, innovative Medizintechnik mit qualitativ hochwertigen und innovativen Hautpflegeprodukten zu kombinieren. Seit 1999 beschäftigt sich unser Unternehmen nun mit der Haut, ihren individuellen Bedürfnissen und der richtigen Pflege. 2011 habe ich mi.to.pharm gegründet und zwei Jahre später den medizintechnischen Kosmetikhersteller Dermaroller übernommen. Wir sind mittlerweile ein international agierendes Unternehmen. Unsere Produkte werden in etwa 50 Ländern vertrieben. Mit dem Dermaroller haben wir ein Beautytool erfunden, durch das sich unsere korrespondierende Skin Care punktgenau in der Haut entfalten kann.

 

Als Online-Händler nutzen Sie auch Amazon als Plattform und damit haben Sie im vergangenen Jahr sehr negative Erfahrungen gemacht – was genau ist vorgefallen?

 

Amazon hat im letzten Sommer ohne jede Vorwarnung unser Verkäuferkonto gesperrt. Der Verkaufskanal ist für uns plötzlich vollständig zum Erliegen gekommen. Wir haben dann erfolglos versucht, das Konto über den Kundensupport von Amazon wieder freischalten zu lassen. Mit der Hilfe unseres Kartellrechtsexperten von der Kanzlei Oppenhoff konnten wir dann erfolgreich gerichtlich gegen Amazon vorgehen. Das Landgericht Hannover hat verfügt, dass Amazon das Konto sofort wieder entsperren muss. Andernfalls hätte ein sehr hohes Zwangsgeld gedroht.

 

Was genau war der Grund für die Sperrung des Kontos und wie sind Sie dann vorgegangen?

 

Wir wissen eigentlich bis heute nicht, was uns konkret vorgeworfen wurde. Amazon hatte uns zunächst lediglich pauschal mitgeteilt, dass Informationen darauf hindeuten würden, dass wir gegen bestimmte Verhaltensvorgaben in den Amazon-Nutzungsbedingungen verstoßen hätten. Unseren Anwälten wurde auch keine nähere Begründung für die Kontosperrung mitgeteilt. Stattdessen sollten wir Beweise vorbringen, dass unser Verhalten einwandfrei war. Das ist natürlich nur schwer möglich, wenn man nicht weiß, worum es eigentlich geht. Amazon kann oder möchte offenbar nicht sagen, welches konkrete Fehlverhalten man uns vorwirft.

 

Sicherlich für Sie ein absoluter Schock oder? Da treten von jetzt auf gleich enorme Umsatzeinbuße auf?

 

Zunächst waren wir einfach nur hilflos, weil wir keine befriedigende Antwort bekamen, warum unser Verkäuferkonto gesperrt wurde. Dann ist man irgendwann nur noch wütend, weil man sich schlecht behandelt fühlt. Wenn man nicht mehr über diesen Vertriebskanal verkaufen kann, hat man mit erheblichen Umsatzeinbußen zu kämpfen.

 

Wie sind Sie allgemein durch die Corona-Krise gekommen – hatte das Einfluss auf Ihr Geschäft?

 

Im Großen und Ganzen sind wir gut durch die Krise gekommen. Natürlich haben auch wir die Einschränkungen im öffentlichen Leben zu spüren bekommen, gerade bei körpernahen Dienstleistungen und vor allem in Asien, einem für uns sehr wichtiger Markt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir durch bereits vor längerem angestoßene Maßnahmen und neue Innovationen gestärkt aus der Pandemie kommen werden.

 

Die Marktstellung von Amazon zwingt Händler förmlich auf die Plattform, an diesem Zustand wird sich kaum etwas ändern – wie müsste man aus Ihrer Sicht zumindest die Verkäufer stärker schützen?

 

Wünschenswert wäre, wenn Amazon seine Marktplatzhändler wie seine Endkunden behandeln würde. Vielfach begegnet Amazon seinen Händlern noch nicht auf Augenhöhe. Das Kartellrecht setzt ja bereits Grenzen, da Amazon eine Art Türsteher zu seinem Marktplatz ist. Die Schwierigkeit liegt eher darin, seine Rechte wirksam durchzusetzen. Amazon wehrt sich hier nach meinem Eindruck mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. In unserem Verfahren waren beispielsweise gleich zwei sehr große Anwaltskanzleien eingeschaltet. Es würde daher schon sehr helfen, wenn die Kartellbehörden einen schärferen Blick auf Amazon werfen.

 

Vor Gericht bekamen Sie Recht, wie sahen die Richter den Fall? Nun ist Ihr Konto wieder frei, ein ungutes Gefühl verbleibt vermutlich? Besonders, weil Amazon Verfassungsbeschwerde eingereicht hat?

 

Das Gericht in Hannover hat in der unbegründeten Kontosperrung den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung von Amazon angenommen. Für Amazon ist diese Feststellung ein Dohrn im Auge, da das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission dies bisher in dieser Ausdrücklichkeit nicht festgestellt haben. Die Entscheidung stellt daher einen Meilenstein dar. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass Amazon gegen die Entscheidung des Landgerichts Hannover eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht hat. Amazon ist der Meinung, das Landgericht Hannover habe das Verfahren nicht fair geführt, weil man nicht einbezogen wurde. Diese Begründung mutet etwas verwunderlich an. Schließlich weiß bis heute allein Amazon, warum unser Verkäuferkonto gesperrt wurde. Und das Gerichtsverfahren bezog sich ja gerade darauf, dass Amazon uns den angeblichen Verstoß gegen seine Nutzungsbedingungen nicht ansatzweise nachvollziehbar erläutern wollte und uns zu diesem Vorwurf nicht angehört hat. Wir sind daher gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht den Fall sieht. Die Entscheidung wird auch für viele andere betroffene Unternehmen von Bedeutung sein.

 

Hatten Sie keine Sorge, sich mit Amazon anzulegen? Viele Unternehmer klagen nicht, da es unglaublich schwer ist als David gegen diesen Goliath anzutreten.

 

Wir waren uns sicher, dass wir im Recht sind. Trotzdem sind Recht haben und Recht bekommen bekanntlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Wir haben bewusst einen Kartellrechtsexperten aus einer renommierten Wirtschaftskanzlei eingeschaltet. Dies dürfte ein Schlüssel für den Erfolg gewesen sein, zumal wir in der gleichen Konstellation auch schon in anderen Gerichtsverfahren Erfolg hatten. Und wenn ich ehrlich sein will, dann liegt es auch in meinem Naturell, dass ich mich wehre, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle. Hierfür bin ich h bereit, Geld zu investieren. Mir ist aber bewusst, dass hier gerade kleineren Unternehmen oftmals finanziell die Hände gebunden sind.

 

Hoffen Sie, dass es einen Präzedenzfall gibt, dass Amazon vor dem Verfassungsgericht unterliegt und die marktbeherrschende Stellung festgestellt wird?

 

Die Entscheidung des Landgericht Hannover ist bereits ein derartiger Präzedenzfall, da hier die marktbeherrschende Stellung von Amazon angenommen wurde. Amazon hat gegen den Beschluss keinen Widerspruch eingelegt, obwohl dies möglich gewesen wäre. Selbst der Präsident des Bundeskartellamtes hat die Entscheidung als einen Erfolg der privaten Rechtsdurchsetzung hervorgehoben. Die Verfassungsbeschwerde betrifft dagegen eine anders gelagerte prozessrechtliche Frage und nicht die, ob Amazon marktbeherrschend ist.

 

Was raten Sie anderen Unternehmern bei Problemen mit der Plattform?

 

Ich bin eigentlich kein streitlustiger Mensch. Deswegen sollte eine einvernehmliche Lösung immer vorderste Priorität haben. Wenn das nicht hilft, dann würde ich dazu raten, eine Anwaltskanzlei einzuschalten, die hier über entsprechende Erfahrung verfügt.

 

Versuchen Sie andere Vertriebskanäle zu stärken um weniger abhängig zu sein?

 

Wir setzen seit jeher auf unterschiedliche Vertriebskanäle für unsere Produkte und vertreiben im In- und Ausland. Ich denke, dass dieser Ansatz in der heutigen Welt schon deshalb unumgänglich ist, um nicht auf die ein oder andere Weise in Abhängigkeiten zu geraten. Wir bauen unsere Vertriebsstrukturen kontinuierlich aus und setzen bei vielen Produkten auf eine Produktion in Deutschland.